© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  49/10 03. Dezember 2010

Gewaltpotential
Integration: Zwei Studien des Familienministeriums nehmen moslemische Jugendliche in den Blick
Lion Edler

Schon mehrmals in den vergangenen Jahren hatte Kristina Schröder (CDU) die wachsende Deutschenfeindlichkeit unter Einwanderern beklagt. Am vergangenen Freitag nun stellte die Bundesfamilienministerin zwei von ihr bei Sozialwissenschaftlern in Auftrag gegebene Studien vor, die sich mit Gewalt und Rollenbildern von Muslimen beschäftigen. „Jugendliche Migranten – muslimische Gewalttätigkeit und geschlechterspezifische Einstellungsmuster“ lautet der sperrige Titel der Expertise von Sonja Haug, daneben thematisiert eine Studie von Ahmet Toprak und Katja Nowacki „Gewaltphänomene bei männlichen, muslimischen Jugendlichen mit Migrationshintergrund und Präventionsstrategien“.    

Und Schröder sieht sich offenbar durch die Studien bestätigt. Es falle eine zunehmende Deutschenfeindlichkeit auf, klagte die CDU-Politikern. Daneben sah sie einen Zusammenhang, „daß eine erhöhte islamische Religiosität korreliert mit einer erhöhten Zustimmung zu Männlichkeitsnormen, die Gewalt legitimieren“. Belastbare Zahlen zur Kriminalität von muslimischen Einwanderern gegenüber Einheimischen konnte aber keine der beiden Studien präsentieren. Die Expertise von Haug verweist jedoch auf eine Untersuchung, wonach 24 Prozent der befragten muslimischen Jugendlichen als „gewaltaffin“ gekennzeichnet werden (nichtmuslimische Jugendliche Einwanderer: 16 Prozent; Deutsche jugendliche: 15 Prozent). Allerdings wird diese Gewaltaffinität durch die Fragen der Untersuchung zum Teil recht schnell festgestellt. Als gewaltbefürwortend gilt, wer unter anderem folgenden Aussagen zustimmt: „Wenn jemand mich angreift, dann schlage ich auch zu“, „Der Stärkere muß sich durchsetzen, sonst gibt es keinen Fortschritt“, „Auge um Auge, Zahn um Zahn, so ist das nunmal im Leben“.    

Nach der Studie begehen eingewanderte Jugendliche häufiger Gewalttaten als einheimische. Eine Ursache wird hierbei in „gewaltlegitimierenden Männlichkeitsnormen“ gesehen. Jugendliche aus der Türkei, dem ehemaligen Jugoslawien sowie dem nordafrikanischen und arabischen Raum zeigten hier höhere Zustimmung. Bei Muslimen zeige sich eine starke Akzeptanz „politisch-religiös motivierter Gewalt“, 11,1 Prozent der muslimischen Jugendlichen akzeptierten diese „in hohem Maße“.

Die Gewaltbereitschaft sei jedoch „kein ethnisch bedingtes Phänomen, sondern aufgrund der räumlichen Konzentration von Zuwanderern, die von Desintegration betroffen sind“. Als Faktoren für eine erhöhte Kriminalitätsrate bei Einwanderern nennt die Studie unter anderem eine „soziale Randlage (Bildungsbenachteiligung, Arbeitslosigkeit, sozialräumliche Segregation)“, „öffentliche und strukturelle Diskriminierung (erhöhte Anzeigebereitschaft der Bevölkerung, härtere Verurteilungspraxis)“, ein „patriarchales Männlichkeitsbild“ aus dem Herkunftsland sowie die familiäre Erziehung.

Deutschenfeindliche Beschimpfungen gehen nach der Expertise vor allem von Jugendlichen aus der Türkei und dem ehemaligen Jugoslawien aus (31 beziehungsweise 28 Prozent). Zur Deutschenfeindlichkeit bemerkt die Studie von Toprak und Nowacki allerdings, „daß ein hoher Zusammenhang zwischen eigenem gewalttätigen Verhalten gegenüber Deutschen mit selbst erlebten Übergriffen aufgrund der Migrationsgeschichte bestand“. Die Diskriminierung sei daher „nicht einseitig zu interpretieren“.  

Kristina Schröder weiß, daß sie sich mit ihren Äußerungen zu den Studien auf gefährliches Terrain begibt, und bemüht sich daher um einen differenzierten Ton. Das Klischee des jungen, bildungsfernen und gewaltbereiten Moslems treffe nur für eine sehr geringe Zahl zu, unterstreicht die Ministerin. Doch es half nichts, die Angriffe von Politikern der Oppositionsparteien folgten sogleich. Es sei nicht die Aufgabe der Familienministerin, „soziale Probleme zu ethnisieren und die Gesellschaft zu spalten“, bemerkten die integrations- und jugendpolitischen Sprecher der Grünen, Memet Kilic und Kai Gehring. Die innenpolitische Sprecherin der Linkspartei, Ulla Jelpke, reagierte wesentlich schärfer: Schröder gieße „mit solchen Parolen nur Öl ins Feuer der um sich greifenden Muslimfeindlichkeit“.  

 

Gewalt und Deutschenfeindlichkeit

Zwei Untersuchungen im Auftrag von Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) haben ergeben, daß 24 Prozent der moslemischen Jugendlichen in Deutschland „gewaltaffin“ sind. Bei nichtmoslimischen Einwanderern und deutschen Jugendlichen neigen dagegen 16 beziehungsweise 15 Prozent zur Gewalt.  Politisch-religiös motivierte Gewalt wird von 11,1 Prozent der moslemischen  Jugendlichen akzeptiert. Vor allem der Nachwuchs aus türkischen Familien (31 Prozent) und aus den Staaten des ehemaligen Jugoslawien (28 Prozent) fällt laut der Untersuchungsergebnisse durch deutschfeindliche Beschimpfungen auf.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen