© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  49/10 03. Dezember 2010

„Verantwortung für die nationale Sicherheit“
Vorratsdatenspeicherung: Angesichts der Terrorwarnungen streiten die Parteien heftig über eine Verschärfung der Gesetze
Hans Christians

Der schwarz-gelben Regierungskoalition in Berlin stehen wieder einmal stürmische Tage ins Haus. Nach dem Platzen von Schwarz-Grün in Hamburg  und schlechten Umfragewerten scheint die CDU um Schadensbegrenzung zu bemüht.

So versuchen vor allem Bundesinnenminister Thomas de Maizière und Hessens Regierungschef Volker Bouffier, die Union wieder als Bollwerk gegen internationalen Terrorismus zu positionieren. Ihre Gegenspielerin ist  erwartungsgemäß Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Die bayerische FDP-Vorsitzende gilt als Vertreterin des linksliberalen Parteiflügels und geriert sich gerne als Hüterin von Bürgerrechten. So prallen in der Debatte um die sogenannte Vorratsdatenspeicherung Welten aufeinander. „Angesichts der aktuellen Gefahrenlage halte ich es für nicht vertretbar, daß den Strafverfolgungsbehörden der gebotene Zugang zu Bereichen hochkonspirativer Kommunikation von Terrorismusverdächtigen verweigert wird“, schrieb der Innenminister vor einigen Tagen an seine Kabinettskollegin.

Wie sehr das Thema die Regierung umtreibt, zeigt alleine die Tatsache, daß das Schreiben einer Tageszeitung zugespielt wurde. Im Grundsatz geht es darum, daß die Telefonfirmen die Daten aller Telefon- und Internetverbindungen monatelang speichern und bei konkretem Verdacht auf Anordnung eines Richters an Ermittler herausgeben. „Für die FDP wird es kein massenhaftes, grundloses Speichern von Daten über Monate geben“, sagte die Justizministerin nach Bekanntwerden des Briefes. Sie sei mit ihren Vorschlägen bei der Vorratsdatenspeicherung bereits auf die Union zugegangen, sagte die bayerische FDP-Politikerin am Wochenende. Ein ebensolcher Schritt von der anderen Seite auf uns zu wäre nun sehr hilfreich. Eine „Alles-oder-Nichts“-Politik könne es in einer Koalition nicht geben, kritisierte sie mit Blick auf Forderungen von Bundesinnenminister Thomas de Maizière, der sich wie die Union für eine Vorratsdatenspeicherung einsetzt. „Wenn jeder sagt, er geht aufs Ganze, ist das keine Art der Zusammenarbeit.“ Problematisch ist eine Übereinkunft vor allem deshalb, weil niemand der beiden Kontrahenten öffentlich nachgeben darf, um nicht noch weiter Boden in der eigenen Anhängerschaft zu verlieren: „Wenn wir auch dieses Thema an die Grünen verlieren, dann müssen wir uns nicht wundern, wenn wir bundesweit unter die Fünf-Prozent-Hürde rutschen“, heißt es innerhalb der FDP.

Parteichef Guido Westerwelle sagte der Süddeutschen Zeitung, er warne davor, die angespannte Sicherheitslage dazu zu nutzen, rechtspolitische Anliegen der Parteien durchzusetzen. Der hessische  Regierungschef und stellvertretende Unions-Vorsitzende Volker Bouffier warnte dagegen davor, im Kampf gegen den Terrorismus auf die Vorratsdatenspeicherung zu verzichten.

„Die Nutzung von Telefon- und Internetverbindungsdaten gehört zur klassischen Tätigkeit der Sicherheitsbehörden, ohne die wir im Kampf gegen den Terrorismus chancenlos sind“, sagte der 59jährige: „Wir müssen uns mit größter Ernsthaftigkeit auf einen Anschlag vorbereiten. Wir dürfen uns keine Nachlässigkeit erlauben.“ Die Diskussion um die Vorratsdatenspeicherung sei für ihn nicht nachvollziehbar. Die Haltung von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), die Vorratsdatenspeicherung sei überschätzt, teile er „ausdrücklich nicht“. Auch die CSU hat ihren Tonfall gegenüber dem liberalen Koalitionspartner verschärft. Der Innenexperte Hans-Peter Uhl vertrat die Auffassung, daß der Staat alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen müsse, um die Terrorgefahr zu bannen.

Angesichts dieser Diskrepanzen  ist es wenig verwunderlich, daß die SPD Morgenluft wittert. Ihr Innenexperte und designierter Hamburger Spitzenkandidat, Olaf Scholz, streckt der Kanzlerin sogar die Hand zur Zusammenarbeit aus: „Die SPD ist sich der Verantwortung für die nationale Sicherheit bewußt. Frau Merkel kann sich im Zweifel auf uns verlassen.“

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