© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  49/10 03. Dezember 2010

Blick in die Medien
Doppelverschwörung im Fall Baentsch?
Ronald Gläser

Welt und Welt am Sonntag (Wams) erscheinen seit zwei Wochen in einer neuen Optik. Zum Relaunch haben die Zeitungen mehrere Kracher gebracht. Zum Beispiel einen Aufsatz des Schriftstellers Jonathan Franzen. Der Text ist jedoch vor fast zwei Jahren schon mal in der FAZ abgedruckt worden. Die FAZ hat das bemerkt und genüßlich darüber berichtet. Peinlich für die Wams.

Überrascht ist auch Wolfram Baentsch, der Verfasser von „Der Doppelmord an Uwe Barschel“, wenngleich sein Fall nicht ganz so eindeutig ist. Nach jahrelanger Recherche hat Baentsch 2007 sein Enthüllungsbuch vorgelegt. Es stützt sich vor allem auf die Ermittlungsergebnisse der Staatsanwaltschaft (JF 41/07).

Das Baentsch-Buch wurde jedoch von den meisten großen Medienkonzernen als Verschwörungstheorie abgetan und systematisch totgeschwiegen.  Er erinnert sich: „Viele Kollegen haben nach dem Interview mit mir mit hängenden Ohren angerufen und gesagt: Wir würden das gerne bringen, aber wir dürfen nicht.“ Vergeblich bat Baentsch damals auch die Wams um eine Rezension seines Werkes.

Mit einigen Jahren Verspätung ist nun in der Wams ein großer Bericht über den Mord an Barschel erschienen. Die Fakten darin erinnern stark an das vor drei Jahren verschmähte Buch. Auf insgesamt sechs Seiten hat die Wams das wiedergegeben, was Baentsch in seinem Buch zusammengetragen hat: Barschel wurde ermordet. Das beweisen die Giftrückstände in seinem Körper. Zudem behauptet der Ex-Mossad-Agent Victor Ostrovsky in seinem Buch „Geheimakte Mossad“, daß seine früheren Kollegen den Mord begangen haben.

Ostrovsky wird in der Wams-Titelgeschichte erwähnt. Der weitaus größere Teil des Artikels in der Wams ähnelt jedoch den Rechercheergebnissen von Baentsch. Der wird allerdings nicht einmal erwähnt. Nicht als Experte, nicht als Buchautor. Auch sein Buch bleibt ungenannt. Neue Fakten präsentieren die beiden Wams-Autoren Dirk Banse und Lucas Wiegelmann kaum. Sie haben mit Ostrovsky telefoniert. Und sie präsentieren ein toxikologisches Gutachten, dessen Inhalt nicht gerade spektakulär ist. Trotzdem weisen sie alle Vorwürfe von sich, sie hätten bei Baentsch abgekupfert. Lucas Wiegelmann besteht darauf, alles aus den staatsanwaltschaftlichen Untersuchungsakten entnommen und nichts bei Baentsch abgeschrieben zu haben. Auch dieser „Fall“ wird wohl für immer ungeklärt blieben.

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