© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  50/10 10. Dezember 2010

Karlsruhe als letzte Rettung
Justiz: Der Fall des Bonner Regierungsdirektors Josef Schüßlburner läßt Zweifel an der Unabhängigkeit einiger Richter aufkommen
Bernd Hierholzer

Rechtsbeugung im „Kampf gegen Rechts“ ist eine Realität, geradeso wie die Schwierigkeit eine solche Straftat zu verfolgen. Das legt jedenfalls der Fall des Bonner Regierungsdirektors Schüßlburner nahe, ein Fall auf mehreren Verfahrensebenen und fesselnd wie ein Krimi. Zuletzt mußte sich sogar das Bundesverfassungsgericht gleich zweimal damit befassen.

Doch der Reihe nach: Schüßlburner hatte privat in der von Hans-Dietrich Sander 1990 gegründeten rechten Zeitschrift Staatsbriefe zu verfassungsrechtlichen Fragen publiziert. Das gefiel seinem Arbeitgeber offenbar wenig; gegen den Beamten wurde ein Disziplinarverfahren eingeleitet. Untersuchungsführer war Konrad B., ein Volljurist und sachverständiger Autor von Rechtskommentaren. Eine grundsätzlich vernünftige Entscheidung, denn Disziplinarverfahren folgen vorgegebenen Regeln. Für das 2001 eröffnete Verfahren gegen Schüßlburner war dies die Bundesdisziplinarordnung.

Konrad B. setzte aber offensichtlich alles daran, im „Kampf gegen Rechts“ Schüßlburner zu brandmarken. Jedenfalls hatte er in dem Verfahren einen Gutachter zu Rechtsfragen bestellt, der bereits als Prozeßbevollmächtigter des Bundesrates im gescheiterten Verbotsverfahren gegen die NPD aufgetreten war. Schüßlburners Anwalt in dem Disziplinarverfahren, der Würzburger Rechtsanwalt Hannes Kaschkat, stellte daraufhin einen Antrag auf Ablehnung des Gutachters. Erstens bestünde die Besorgnis der Befangenheit und zweitens sei ein Gutachten über reine Rechtsfragen an sich schon rechtlich bedenklich. Diesen Ablehnungsantrag ignorierte der Untersuchungsführer trotz Belehrung, weshalb Schüßlburner nun den Untersuchungsführer selbst wegen Befangenheit ablehnte. Der unterließ jedoch – trotz erneuter Belehrung durch die Verteidigung – die gesetzlich vorgeschriebene Weiterleitung des Ablehnungsgesuchs an das Bundesdisziplinargericht und verfaßte kurzerhand seinen Schlußbericht.

Um es abzukürzen: Schon die Entscheidung über die Einleitung des Disziplinarverfahrens war rechtswidrig, das Verwaltungsgericht Düsseldorf stellte es per Urteil folgerichtig ein. Schüßlburner ging nun selbst in die Offensive, um seinen Ruf wiederherzustellen. Bei der Staatsanwaltschaft Köln erstattete er gegen Konrad B.  Strafanzeige wegen Rechtsbeugung.

Die ist nach Paragraph 339 Strafgesetzbuch ein Verbrechen, das mit wenigstens einem Jahr Gefängnis geahndet wird. Es gibt in der Geschichte der Bundesrepublik aber nur wenige Fälle, in denen an Rechtsverfahren beteiligte Juristen wegen Rechtsbeugung verurteilt worden sind. Die Gründe dafür werden auch im Fall Josef Schüßlburner sichtbar.

Möglicherweise wollte die Staatsanwaltschaft das Offensichtliche nicht sehen oder ermittelte vielleicht auch nicht mit dem erforderlichen Ernst und stellte das Verfahren ein. Schüßlburners zweiter Anwalt Jochen Lober beantragte deshalb über ein sogenanntes Klageerzwingungsverfahren beim Oberlandesgericht (OLG) Köln die Erzwingung der öffentlichen Strafanklage gegen den inzwischen pensionierten Abteilungspräsidenten des Bundesverkehrsministeriums Konrad B. Aber auch das OLG mochte nicht so recht, steckte zunächst die Anforderungen an eine Klageerzwingung extrem eng und ließ das Verfahren aus förmlichen Gründen scheitern.

Anwalt Lober ließ nicht locker und wandte sich nunmehr mit einer Beschwerde an das Bundesverfassungsgericht. Der Gang nach Karlsruhe mit Verfassungsbeschwerden gilt inzwischen bei Juristen als heikel, da auch Strafgebühren wegen Mißbrauchs bis zu 2.600 Euro drohen und die Erfolgsquote bei lediglich rund zwei Prozent liegt. Aber: Das  Gericht entschied tatsächlich, an der Zulässigkeit hätte das Klageezwingungsverfahren nicht scheitern dürfen. Das OLG erklärte die Klage daraufhin zwar für zulässig, verwarf sie aber als unbegründet. Der Untersuchungsführer habe wohl nicht gewußt, daß er den Befangenheitsantrag zur Prüfung einem anderen Beamten hätte vorlegen müssen. „Ein Faktum, das schon Jurastudenten drauf haben müssen“, weiß Lober. Das OLG schenkte aber auch sämtlichen Hinweisen auf das vorsätzliche Handeln des Untersuchungsführers gegen Schüßlburner keine Beachtung. Josef Schüßlburner wagte mit seinem Anwalt einen zweiten Gang nach Karlsruhe und war erneut erfolgreich. „Der strafrechtliche Mißbrauch des Disziplinarverfahrens ‘gegen Rechts’ war dem Bundesverfassungsgericht wohl zu augenfällig“, vermutet Lober über die zweite Ohrfeige gegen das OLG Köln.

Unter dem Druck des Bundesverfassungsgerichts hat die Staatsanwaltschaft Köln inzwischen nun doch beim Amtsgericht Bergisch Gladbach Anklage gegen Konrad B. wegen Rechtsbeugung erhoben. „Das Bundesverfassungsgericht hat sich wieder einmal als letzte Instanz für den Bestand der verfassungsrechtlichen Ordnung erwiesen“, so das Resümee von Jochen Lober. „Ob tatsächlich eine Verurteilung erfolgt, werden wir sehen.“

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