© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  50/10 10. Dezember 2010

Gestatten: Metzner, Helmut Metzner
Wikileaks I: Die Maulwurf-Affäre um den Büroleiter von FDP-Chef Westerwelle stürzt die Partei in die Krise
Paul Rosen

Ein Maulwurf, Geheimdienste und sexuelle Orientierungen spielen eine Rolle: Das alles sind Zutaten, aus denen eine Regierungsaffäre gebacken wird. Oder wenigstens eine Parteiaffäre. Die Klemme, in der Außenminister Guido Westerwelle gerade steckt, läßt das politische Berlin lachen – dessen Nerven allerdings liegen blank. Sein Büroleiter Helmut Metzner, der schon im Häschenkostüm blau-gelbe Ostereier verteilte und im Vorstand des Lesben- und Schwulenverbandes Deutschlands (LSVD) sitzt, könnte den FDP-Vorsitzenden mit in die Tiefe reißen.

Hätte Metzner das, was ihm vorgeworfen wird, vor 25 Jahren mit Vertretern der Botschaft der damaligen UdSSR getan, wären ihm Haftbefehl, Verurteilung und mehrjährige Haftstrafe wegen Spionage sicher gewesen. Doch die „well placed FDP source“ (gut plazierte FDP-Quelle) plauderte mit Vertretern der amerikanischen Botschaft. Gegenstand der Gespräche: die deutsche Innenpolitik im allgemeinen und Eigenschaften des führenden Personals im besonderen.

Zusammen mit Informationen anderer deutscher Gesprächspartner dürfte das Außenministerium in Washington auf diese Weise ein gutes Lagebild der Berliner politischen Szene bekommen haben. Teile der pikanten Botschaftsberichte fanden sich per „Wikileaks“ im Internet (siehe unten und Seite 12).

Metzner schien den Ernst der Lage erst gar nicht begriffen zu haben. Der 41jährige, der eine Internetseite mit dem Titel „MunterMacherMetzner“ betreibt, stand teilnahmslos bei den Gesprächen wie etwa bei einem Adventsumtrunk für Journalisten im Berliner Thomas-Dehler-Haus, der Parteizentrale der Liberalen. Dort drehte sich alles um die Frage, wer denn der „Maulwurf“ der Amerikaner in der FDP sein könnte. Ein hoher Beamter aus dem Auswärtigen Amt soll Westerwelle schließlich die Vermutung übermittelt haben, Metzner könne der Plauderer gewesen sein.

Der Schaden ist größer, als wenn es nur um ein paar Berliner Geheimnisse gegangen wäre, die bei jedem Champagner-Empfang mit den Gläsern über die Theke hin und her wandern. Der „Maulwurf“ Metzner war Protokollführer bei den gewiß nicht unwichtigen Verhandlungen zur Bildung der christlich-liberalen Koalition. Amerikanische Einschätzungen über Personen wie die Bundeskanzlerin Angela Merkel oder den Finanzminister Wolfgang Schäuble („zorniger alter Mann“) könnten auf ihn zurückgehen.

Metzner erscheint wie die Verkörperung der Spaß- und Überflußgesellschaft. Sein Motto lautet: „Wer gackert, muß auch Eier legen“. Er setzt sich für die Fliege als Bestandteil der Herrenkleidung ein und bekennt sich ebenso wie sein Parteivorsitzender offen zur Homosexualität. Für die breite Masse des Volkes dürfte der Spaß in der „Maulwurf-Affäre“ bereits kurz nach ihrem Bekanntwerden vorbei gewesen sein. Der intelligentere und gebildetere Teil des Volkes dürfte die Parallele zu Westerwelles Wort von der „spätrömischen Dekadenz“ ziehen, das jetzt auf den FDP-Vorsitzenden im wahrsten Sinne des Wortes zurückfällt.

Es geht nicht nur um den Zuwachs an Lächerlichkeit, der der FDP zuteil wird. Franz Josef Strauß zitierte gerne den Satz: „Das Volk liebt den Verrat, aber es haßt den Verräter.“ Und als Verräter von Regierungs- oder wenigstens Fraktionsgeheimnissen dürfte der FDP-Maulwurf jetzt dastehen. Daß Westerwelle seinen Büroleiter nicht sofort feuerte, sondern ihm in der Parteizentrale eine andere Aufgabe zuwies, wirft neue Fragen auf und ein Schlaglicht auf ein Phänomen, über das im politischen Berlin schon lange getuschelt wird: In der FDP gibt es mittlerweile ein einflußreiches homosexuelles Netzwerk, das äußert erfolgreich operiert und größere Teile der Partei und Bundestagsfraktion unter seine Kontrolle gebracht hat. Führungspositionen versuchen diese Netzwerker weniger nach Qualifikation, sondern mehr nach sexueller Orientierung der Bewerber zu besetzen.

Daß es dieser FDP noch gelingen könnte, breite bürgerliche Schichten zu erreichen, ist mit Westerwelle ausgeschlossen. Viele Signale lassen darauf schließen, daß Wirtschaftsminister Rainer Brüderle für Westerwelles Ablösung bereitsteht. Unklar ist noch, ob das vor der Hamburg-Wahl am 20. Februar oder direkt danach passiert.

Foto: Westerwelles Ex-Büroleiter Metzner: Er versorgte die Amerikaner  im James-Bond-Stil mit Informationen

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen