© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  51/10 17. Dezember 2010

Auf dem Weg zur Halbdemokratie
Präsidentschaftswahl in Weißrußland: Präsident Lukaschenko ist für alle Fälle gewappnet
Anton Odenthal

Für viele ist Weißrußland ein unbekanntes Land. Seit 1994 von Präsident Alexander Lukaschenko (56) geführt, drang über Jahre wenig nach außen. Der ehemalige Sowjetarmeeoffizier führte das Land autoritär nach „Gutsherrenart“, mit enger Freundschaft zu Nordkorea und Libyen. So daß selbst der einstige Verbündete Rußland seit einiger Zeit Distanz hält. Im dortigen Staatsfernsehen wurde Lukaschenko in einer Dokumentation sogar politischer Mord vorgeworfen.

Obwohl es seit einigen Jahren stärkere oppositionelle Bestrebungen im Land gibt, sind die Führer dieser Gruppen uneinig. Parallel dazu werden sie von den Medien weitgehend ignoriert. Kein gutes Omen für die Präsidentschaftswahl am 19. November. Bereits im September 2010 hatte der bekannte Oppositionsführer, Alexander Milinkiewitsch, seinen Rückzug bekanntgegeben. An einer Fernsehdiskussion der Kandidaten, nahmen dann auch nur Grigorij Kostosew („Belarussische Volksfront“), Ales Michalewitsch („Union für Modernisierung“) und Victor Tereschtschenko (parteilos) teil. Wobei letzterer als enger Vertrauter Lukaschenkos gilt, der es dann selbst auch nicht für nötig hielt, an der Diskussion teilzunehmen. Woraufhin Wladimir Nekljajew von der Kampagne „Sag die Wahrheit“ aus Protest das Studio verlassen hatte.

Trotz dieser Differenzen hat die Opposition für den Abend des 19. Dezember 2010 zu einer Demonstration auf dem „Oktoberplatz“ in Minsk aufgerufen: „um die Wahl zu verteidigen“. Sollte sie dennoch Erfolge verzeichnen, hätte Lukaschenko mit Tereschtschenko ein As im Ärmel. Dann wäre eine ähnliche Situation wie in Rußland vorstellbar, wo Medwedew als „Marionette“ Putins agiert und dieser durchaus Ambitionen hat, wieder Präsident zu werden.

Auf jeden Fall ist die Macht Lukaschenkos noch fast ungebrochen, entsprechend ließ er den Leiter seiner Präsidialverwaltung drohen, man werde „gegen den Terror der Demonstranten“ mit allen Mitteln vorgehen. Vertreter europäischer Organisationen, so die OSZE , wollen die Wahlen überwachen. Vorsorglich forderte Außenminister Westerwelle bei seinem Besuch in Minsk im November „freie und faire“ Wahlen. Worauf ihm der verärgerte Lukaschenko erwiderte, in seinem Land habe es nie undemokratische Wahlen gegeben.

Es bleibt abzuwarten, welche Auswirkungen die Wahl auf die künftige Politik des Landes hat, auf jeden Fall wird es keine Rückkehr in eine „sowjetische Ära“ geben, dazu ist der Prozeß der Öffnung des Landes schon zu weit fortgeschritten. Inzwischen ist das Land auf dem Weg von einer Dreivierteldiktatur zu einer Halbdemokratie, egal wer Präsident wird.

http://belaruswahl2010.wordpress.com

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