© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  51/10 17. Dezember 2010

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Wenn das „Stille Örtchen“ in den Mittelpunkt rückt: Der Welttoilettentag, die „Bild“-Zeitung und „Das Klo im Kino“
Robert Backhaus

Wenn wir die Bild-Zeitung nicht hätten! Kaum einer von uns ahnungslosen Mitbürgern hat ja mitbekommen, daß der verflossene 19. November „Welttoilettentag“ war, ausgerufen von der WTO, der – kein Scherz – Welttoilettenorganisation, einer internationalen Nichtregierungsorganisation. Aber dankenswerterweise erinnert uns Bild in ihrer Online-Ausgabe daran. Schließlich hat einer ihrer Redakteure ein ganzes Buch zu Ehren dieses Welttoilettentags geschrieben, und dafür wird bis heute auf der Netzseite ordentlich Reklame gemacht.

„Das Klo im Kino“ heißt das umfangreiche, mit vielen Bildern geschmückte Opus, und es erinnert an Szenen der Filmgeschichte, wo Hollywood- und andere Weltstars gezeigt werden, wie sie sich in die Toilette zurückziehen und dort unaufschiebbare Geschäfte verrichten. Auch Nebenfiguren werden mit Aufmerksamkeit bedacht, so etwa jener Hotelportier, der in Friedrich Wilhelm Murnaus „Der letzte Mann“ (1924) zur Toilettenfrau degradiert wird.

Freilich, das „frühe Kino“ bis tief in die dreißiger Jahre hinein, so erfahren wir, sei faktisch klo-los gewesen. Erst mit Alfred Hitchcocks „Psycho“ sei dann endlich der Durchbruch gekommen, aber seitdem sei es ständig bergauf beziehungsweise bergab gegangen. Heute wimmele es im Kino geradezu von Kloszenen, wobei zu beobachten sei: Je intellektueller und hochgestochener der Anspruch des Films, um -so mehr Klo. „Das letzte Tabu“ sei also gebrochen, und das sei gut so, denn Tabus seien nun einmal dazu da, um gebrochen zu werden.

Nun, jedem Tierchen sein Pläsierchen, und über Geschmack läßt sich nicht streiten. Der Drang des gehobenen Kulturbetriebs, beispielsweise des modernen Regietheaters, zu rückwärtigen Unterleibsregionen ist ja zweifellos vorhanden, da hat Bild durchaus recht. Anzumerken wäre allerdings, daß der kürzliche „Welttoilettentag“ der WTO nicht zum Ruhme des Regietheaters und des Klos im Kino veranstaltet wurde, sondern um auf die katastrophalen sanitären Verhältnisse aufmerksam zu machen, die in vielen Teilen der Welt herrschen.

Gute Klos gehören in die tägliche Wirklichkeit mancher sanitär unterentwickelter Länder, nicht ins mitteleuropäische Kino oder Theater. Dort stören sie nur, blamieren die Schauspieler, stürzen das Publikum in Verlegenheit und wirken letzten Endes menschenfeindlich.

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