© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  51/10 17. Dezember 2010

Lockerungsübungen
Afghanischer Mehrheitswille
Karl Heinzen

Die von der Nato geführten ausländischen Truppen in Afghanistan stoßen, so will eine unter anderem vom Westdeutschen Rundfunk initiierte demoskopische Erhebung herausgefunden haben, auf immer geringere Akzeptanz in der einheimischen Bevölkerung. Lediglich ein Drittel der knapp 1.700 Befragten gab noch Sympathien für sie zu erkennen. Auch die Stimmung gegenüber der Bundeswehr, die lange mit Stolz auf ihre einem sensiblen Vorgehen geschuldete Reputation verwies, scheint gekippt zu sein: Erstmals überwiegen ihre Kritiker (28 Prozent) die Befürworter (25 Prozent). Nachdenklich sollte das Verteidigungsministerium vor allem stimmen, daß in den unter deutscher Kommandogewalt stehenden Regionen 39 Prozent der Einwohner Anschläge auf ausländische Truppen befürworten. Im Landesdurchschnitt erfreuen sich gerade einmal 27 Prozent an der Kriegführung der Aufständischen.

Ein kleiner Trost mag es für die Militärs sein, daß sich auch das Ansehen der zivilen Hilfsorganisationen dramatisch verschlechtert hat. Nur noch 43 Prozent der Afghanen sehen ihr Wirken als erfolgreich an, zwei Drittel beklagen, daß die von ihnen ins Land gebrachten Finanzmittel zu einem erheblichen Teil zweckentfremdet werden. Ihre persönliche wirtschaftliche Lage beurteilt eine Mehrheit als deprimierend, eine Besserung ihrer Lebensumstände erwarten nur wenige. Da die Zustimmung zu Präsident Hamid Karzai weiterhin überwiegt und die afghanischen Sicherheitskräfte mancherorts sogar beliebter geworden sind, muß sich die internationale Staatengemeinschaft die Verantwortung für die Misere anrechnen lassen.

Das Meinungsbild der Afghanen hat sich in der Beurteilung des Isaf-Einsatz jenem angeglichen, das schon lange in den Truppen entsendenden Staaten festzustellen ist. Diesbezüglich hat die Globalisierung den Hindukusch somit erreicht. Wenn aber nicht mehr nur die eigenen Einwohner, sondern nun auch die Afghanen selbst mit überwiegender Mehrheit den Isaf-Einsatz ablehnen, gibt es für die westlichen Regierungen keinen Grund mehr, an ihm festzuhalten. Im Gegenteil: Seiner Zielsetzung, der Demokratie in diesem Land Geltung zu verschaffen, kann nur gerecht werden, wer dem Mehrheitswillen der Afghanen Rechnung trägt. Da dieser sich artikulieren kann, ist der Auftrag zudem erfüllt.

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