© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  52/10-01/11 24./31. Dezember 2010

Gulag-Leugnung
Ins Gleichgewicht setzen
von Thorsten Hinz

Wird die Hitler-Keule demnächst durch den Stalin-Knüppel ergänzt? Sechs mittel- und osteuropäische Staaten fordern von der Europäischen Union, die kommunistischen Verbrechen dem Holocaust rechtlich gleichzustellen und ihre Leugnung zu bestrafen.

Die Forderung ist verständlich. Die Westeuropäer haben sich für die kommunistischen Untaten hinter dem Eisernen Vorhang nie sonderlich interessiert. Sie haben den Blick einseitig auf die nationalsozialistischen Verbrechen, insbesondere die Judenvernichtung, gerichtet, sie zum Bezugspunkt der Geschichtspolitik erwählt und mit der Aura des Einzigartigen und Sakralen versehen. Sie haben damit eine Verbrechens- und Opferhierarchie geschaffen, in der die Osteuropäer sich nicht wiederfinden. Zwischen der Sakralisierung des Holocaust und der Verharmlosung kommunistischen Terrors besteht ein direkter Zusammenhang.

Der Stalin-Knüppel würde zwar nicht für die historische Wahrheit sorgen, aber immerhin ein geschichtspolitisches Gleichgewicht des Schreckens herstellen. Die zivilreligiösen Absurditäten würden sich gegenseitig hochschaukeln und eventuell eine Besinnung erzwingen. Am Ende könnte die Freiheit des Denkens, Meinens und Forschens wieder in ihr Recht eingesetzt und beide Gesetze gemeinsam abgeschafft werden.

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