© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  52/10-01/11 24./31. Dezember 2010

Grüße aus Athen
Zu Hause feiern
Panajotis Doumas

Athen erlebt dieses Jahr keine Weihnachten. Kein geschmückter Riesenweihnachtsbaum wird vor dem Parlamentshaus am Syntagma-Platz stehen. Kein Karussell für die Kinder und nicht einmal ein Konzert für die Armen wird es geben. Noch-Bürgermeister Nikitas Kaklamanis ist entnervt. Der Liberal-Konservative wurde jüngst abgewählt, und ab ersten Januar übernimmt sein Gegner Giorgos Kaminis, der von den linken Parteien unterstützt wird, den Stab. Fast jedes Mal, wenn Kaklamanis über den Mangel an Feieratmosphäre befragt wird, erklärt er: „Sie können mich mal, die Athener und ihr Baum …“.

Weihnachtsstimmung sieht anders aus. Doch die Krise hat die Stadt fest im Griff. Selbst das bis vor kurzem hochgelobte winterliche Athener Nachtleben mit seinen erschwinglichen Preisen in Diskos, Bouzoukias und Bars liegt darnieder. Heute ist Athen trotz Krise und sinkender Lebensqualität eine der teuersten Städte Europas. Ein Cappuccino kostet zwischen vier und fünf Euro. Ein anständiges Abendessen in einer der vielen traditionellen Tavernen für 25 Euro? Kaum einer nimmt es wahr. Niemand geht mehr aus. Und wenn, dann geht man nur auf ein Bierchen – fünf Euro – und dann gleich wieder nach Hause.

Plötzlich erinnern sich viele Weihnachtsmuffel wieder ihrer vergessenen Familie.

Doch die Lage ist nicht hoffnungslos. Plötzlich erinnern sich viele Weihnachtsmuffel und viele weihnachtsresistente Jugendliche wieder ihrer Familie. Man feiert wieder zusammen zu Hause. Auch reisen mehr und mehr Athener für die Weihnachtsferien zurück in ihre Heimatdörfer. Die meisten Athener sind nicht einmal Athener. Sie stammen aus jeder Ecke des Landes. Arbeitslosigkeit brachte sie in die Stadt. Der gleiche Grund führt sie wieder hinaus in die Provinz.

Der griechische „demonio“ ist wieder erwacht. Die Zeit des Genießens ist vorbei, und die sprichwörtliche Not läßt viele Athener auf fast vergessene Lebensentwürfe zurückgreifen, die längst verschüttet schienen. Die Familie steht wieder hoch im Kurs.

In einer Gesellschaft, deren bisheriges Gleichgewicht aufgrund von Finanzkrise, Masseneinwanderung, Arbeitslosigkeit, Kriminalität und politischer Instabilität auf der Kippe steht, ist die Familie plötzlich wieder Lebenselixier. Dieses Jahr also findet das Feiern in den Häusern Athens statt oder auf dem Land, wo die Griechen dann die Weihnachtsfeuer entfachen, um boshafte Kobolde abzuwehren. Kalá Christoúyenna – Frohe Weihnachten.

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