© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  03/11 14. Januar 2011

Pulverfaß am Mittelmeer
Spanien: Die Metropole Barcelona gilt als Drehscheibe des islamischen Terrorismus / USA bauen eigene Abwehr aus
Michael Ludwig

Nach Ansicht der US-Geheimdienste ist die spanische Hafenstadt Barcelona das gefährlichste Zentrum des islamischen Terrorismus im gesamten Mittelmeerraum. Zusammen mit dem organisierten Verbrechen und mächtiger Drogenkartellen, die in der Stadt ihr schmutziges Geld waschen, geht von der katalanischen Metropole  eine derartige Gefahr aus, daß Washington sein dort ansässiges Konsulat zu einer Super-Abwehr-Behörde ausgebaut hat, um ihr rechtzeitig und wirkungsvoll begegnen zu können.

 Die Madrider Tageszeitung El País veröffentlichte dieser Tage Berichte, die auf geheimen Depeschen der US-Botschaft fußen und von Wikileaks veröffentlicht wurden; sie geben Aufschluß darüber, was für eine explosive Lage in Barcelona herrscht. In einem der geheimen Kabel heißt es: „Die enorme Einwanderung, legal wie illegal, von Nordafrika sowie aus Pakistan und Bangladesh verwandelt die Region in einen Magneten, der Terroristen anzieht und in ein ideales Terrain, um neue zu rekrutieren.“ Nach Angaben der spanische Polizeibehörde CNP leben allein im Großraum von Barcelona über 60.000 Pakistani, vor allem unverheiratete Männer, oft ohne gültige Papiere.

Im Januar 2008 nahm die Guardia Civil mit Hilfe des Geheimdienstes CNI und dank der Zeugenaussage eines geheimen Informanten eine Gruppe von Pakistani fest, die einen Angriff auf die U-Bahn von Barcelona planten. Elf von ihnen wurden zu Gefängnisstrafen bis zu 14 Jahren verurteilt. Nahezu zeitgleich verhaftete die Polizei sieben weitere Pakistani, denen Verbindungen zu terroristischen Netzwerken im Mittleren Osten vorgeworfen wurden.

Die US-Botschaft schätzt die Effizienz der spanischen Sicherheitsbehörden nicht sehr hoch ein. In den Mitteilungen an das amerikanische Außenministerium in Washington heißt es immer wieder, daß sich die verschiedenen Sicherheitsorgane – die Guardia Civil, die CNP und der Geheimdienst CNI – aufgrund von Eifersüchteleien gegenseitig blockieren und so unfreiwillig dazu beitragen, daß die terroristische Szene des Landes nicht genügend ausgeleuchtet wird. Auch die neue Antiterrorbehörde CNCA, die von der Regierung nach den Bombenanschlägen am 11. März 2004 geschaffen wurde, verbesserte die Lage nicht. Nüchtern heißt es in einem amerikanischen Kabel dazu: „Sie hat versagt“.

Bei einem privaten Essen im März 2009 fragte der zweite Mann der US-Botschaft, Arnold A. Chacon, den Präsidenten des Strafgerichtshofes Audiencia Nacional de España, Javier Gómez Bermúdez, nach der Sicherheitslage in den zu Spanien gehörenden, aber auf marokkanischem Gebiet liegenden Städten Ceuta und Melilla. Gómez wiegelte ab und würzte seine Antwort mit einer Prise Ironie: „Von drei Personen, denen du in Ceuta und Melilla begegnest, ist eine Militär, die andere von der Polizei und die dritte ein Spion.“ Bei seinem US-Gesprächspartner stieß diese wenig ernsthafte Bemerkung auf blankes Entsetzen. Er fürchtet, daß die beiden Enklaven durchaus Ziele eines verheerenden Anschlages werden könnten.

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