© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  03/11 14. Januar 2011

Pekinger Machtdemonstration
Rohstoffpolitik: China provoziert Lieferengpässe bei Seltenerdmetallen / Hektische Suche nach Alternativen hat begonnen
Michael Wiesberg

China, der von einer kommunistischen Partei geführte neue Gigant auf den Weltmärkten, macht immer mehr deutlich, daß es seine ganz eigene Deutung kapitalistischen Wirtschaftens durchzusetzen bestrebt ist. So zum Beispiel beim Export bzw. der Förderung der Seltenen Erden (JF 45/10). Jahrelang waren diese 17 Metalle, die für Hochtechnologie und Unterhaltungselektronik von Bedeutung sind, kein Thema.

Sie waren reichlich im Angebot – so reichlich, daß in den USA (vor 20 Jahren noch Hauptförderland der Seltenerdmetalle) der Abbau aus Kostengründen eingestellt wurde. Zwei Entwicklungen hätten allerdings alarmierend wirken müssen: der starke Anstieg des Verbrauchs und die Quasi-Monopolstellung, die China durch seine Billiglöhne und laschen Umweltauflagen beim Abbau dieser Metalle zugewachsen ist.

Der Führung in Peking ist inzwischen bewußt geworden, was für eine strategische Waffe ihr aufgrund des kurzsichtigen Denkens in Amerika und Europa zugewachsen ist. Diese Waffe setzt sie seit einiger Zeit mit der systematischen Verknappung der Förderung der Seltenerdmetalle zielbewußt ein. Zuerst wurden die „wilden Minen“ geschlossen, was bereits einen Preisschub auslöste, dann die Ausfuhren empfindlich gedrosselt.

Ende 2010 folgte der nächste Coup: Das chinesische Handelsministerium senkte die Exportmenge für die erste Hälfte des neuen Jahres nochmals um 35 Prozent. Überdies stellte China in Aussicht, in diesem Jahr unter Umständen keine Exportquoten für Seltenerdmetalle mehr bekanntzugeben. Mit dieser Politik verbunden ist eine massive Steigerung der Herstellungskosten darauf angewiesener Produkte. Gegenüber chinesischen Mitbewerbern, die Seltenerdmetalle zu Sonderkonditionen erhalten, führt dies zu Wettbewerbsnachteilen. Möglicherweise soll damit auch Druck auf die Hersteller von Hochtechnologie ausgeübt werden, in China zu produzieren.

Die chinesische Rohstoffpolitik hat zu heftigen Protesten geführt; die USA drohten damit, die Welthandelsorganisation (WTO) einzuschalten. Gleichzeitig hat eine hektische Suche nach Alternativen zum chinesischen Fördermonopol (momentan etwa 95 Prozent der Weltproduktion Seltener Erden) begonnen. Im Fokus steht dabei die Suche nach neuen Abbaugebieten. Hier glaubt man, vor allem in Kanada, Australien und Grönland (Kvanefjeld) fündig geworden zu sein. Insbesondere Grönland verspricht mit einer prognostizierten Fördermenge von bis zu 100.000 Tonnen pro Jahr zu einer echten Alternative zu China zu werden. Der Abbau hier dürfte allerdings erst 2015 beginnen.

In den USA ist es der Minenbetreiber Molycorp Minerals, der in Kalifornien das größte erschlossene Vorkommen an Seltenerdmetallen außerhalb Chinas besitzt. Nun soll hier nicht nur die modernste Mine der Welt entstehen, sondern auch das Fördervolumen gegenüber den Angaben im Antrag zur Notierung bei der Börsenaufsicht verdoppelt werden. Etwa 40.000 Tonnen jährlich sollen ab 2012 abgebaut werden, was etwa einem Fünftel des weltweit geschätzten Bedarfs entsprechen würde.

Auch das im hohen Maße rohstoffabhängige Japan ist aktiv geworden. Einerseits will das Land zusammen mit Südkorea Vorkommen in Vietnam und Zentralasien erschließen. Gleichzeitig soll Ersatz im Labor geschaffen werden. Forschern an der Universität Kyoto ist es kürzlich in Kooperation mit Autoherstellern erstmals gelungen, eine Legierung herzustellen, die die Eigenschaften des Seltenerdmetalls Palladium aufweist. An weiteren Legierungen, die als Ersatz dienen könnten, wird derzeit gearbeitet.

Auch auf deutscher Seite sind Maßnahmen eingeleitet worden, so zum Beispiel durch die Gründung einer Rohstoffagentur in der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe. Ihr Ziel ist, „die Versorgung der deutschen Wirtschaft mit Rohstoffen zu unterstützen“. Überdies wird nach heimischen Vorkommen sondiert. Dies scheint insbesondere im Raum Delitzsch unweit von Leipzig recht aussichtsreich. Nach Meinung des Gros der Rohstoffexperten dürfte es allerdings erst ab 2015 zu einer wirklichen Entspannung auf dem Weltmarkt kommen. Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) bemüht sich wohl auch deshalb, in direkten Gesprächen mit Peking eine Lockerung der Exportbeschränkungen zu erreichen.

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