© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  03/11 14. Januar 2011

Blick in die Medien
700.000 Tagesschau-Apps – ein Erfolg?
Ronald Gläser

Im Tierlexikon der Internetseite kindernetz.de ist zu lesen: „Während der Gemeine Tintenfisch nur bis zu 65 Zentimeter groß wird, gibt es in der Tiefsee Riesenkalmare, die mehrere Meter groß sind und riesige Fangarme haben.“ Schon sehr komisch, daß ausgerechnet diese vom Südwestdeutschen Rundfunk (SWR) betriebene Seite sich so zu Kraken äußert, die am Meeresboden hocken und mit ihren Tentakeln überall hinkommen. Ein bißchen klingt es so, als spräche der öffentliche Sender über sich selbst.

Die langen Arme der Krake – das sind die unterschiedlichen Geschäftsfelder, in die sich der Sender hineinmogelt. Wozu bitte betreibt der SWR diese Internetseite für Kinder, die Informationen auf Bravo-Niveau über Popstars wie Tokio Hotel verbreitet – subtil vermengt mit Portraits  von Gutmenschen wie Nelson Mandela oder Martin Luther King? Neun Mitarbeiterinnen beschäftigt der SWR, nur um diese eine Netzseite zu betreiben – in der Privatwirtschaft undenkbar.

Das krakenhafte Ausbreiten der öffentlich-rechtlichen Sender hat unlängst eine neue Wegmarke erreicht mit der „Erfolgsmeldung“, die Tagesschau-App sei 700.000mal heruntergeladen worden. Dabei handelt es sich um ein kleines Programm für Handys, mit dem Nachrichten der tagesschau.de-Redaktion abgerufen werden können. Zusätzlich zu den „normalen“ Nachrichten der Tagesschau ermöglicht die App den Zugriff auf viele weitere Informationen, die von einer zusätzlichen Redaktion zusammengetragen werden. Normale Verlage nehmen Geld dafür. Die Bild-App zum Beispiel kostet vier Euro – pro Monat. Die Tagesschau-App ist dagegen gratis. Kein Wunder, daß sich die Verlage darüber aufregen. Die Fernsehsender expandieren mit Hilfe ihrer Zwangsgebühren ins Internet. Das ganze ist ein klarer Fall von Marktverzerrung und damit in einer Marktwirtschaft unzulässig.

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