© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  03/11 14. Januar 2011

Gerhart Bettermann „entlarvt“: Auch linke Künstler arbeiteten für Hitler
Wettstricken an der Kollektivschuldthese
(wm)

Am 20. November 2010 brachte die Schleswig-Holsteinische Landeszeitung in stattlicher Aufmachung und mit knalligem Titel („Der Makel im Lebenslauf“) einen Bericht über die „angebräunte“ Vergangenheit des Künstlers Gerhart Bettermann (1910–1992). Inzwischen hat sogar die FAZ (Ausgabe vom 30. Dezember) diesem gestanzten Produkt aus der nimmer rastenden Bewältigungsindustrie ein größeres Publikum verschafft. Was die Skandalisierung einer banalen Auftragsarbeit, Bettermanns Ausgestaltung des Rathauses zu Kappeln an der Schlei mit ein wenig NS-Emblematik (Mann mit Junge, die mit der damals üblichen Handbewegung ein Hitler-Porträt grüßen), ausgeführt im Jahre 1938, so lohnend erscheinen läßt, ist die Fama des Künstlers. Der Spätexpressionismus  und Neue Sachlichkeit mixende sächsische Kleinmeister stand bis 1933 der SPD nahe und ließ nach 1945 unwidersprochen, daß er während des NS-Regimes als „entartet“ stigmatisiert worden sei und sich daher von Berlin in die „innere Emigration“ nach Nordelbien zurückziehen mußte. Nur wer mit den NS-Verhältnissen gänzlich unvertraut ist, glaubte allen Ernstes, daß damals ein Künstler in der Provinz als weniger entartet denn in den Metropolen gegolten habe. Die „Entlarvung“ Bettermanns eignet sich daher gut zur Festschreibung der Kollektivschuld: auch Linke haben der braunen Versuchung nicht widerstanden und sind schuldig geworden.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen