© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  03/11 14. Januar 2011

Sieger mit der schlechteren Quote
Hans-Dieter Ottos Annäherungen an berühmte Schlachten von Alexander dem Großen bis zu General MacArthur
Franz Uhle-Wettler

Hans-Dieter Otto, gelernter Jurist, ist durch mehrere zu Recht positiv rezensierte Sachbücher, dabei auch durch Studien zu kriegsgeschichtlichen Themen hervorgetreten. Sein neuestes Werk schildert zwölf historische Schlachten, von denen Cannae 216 v. Chr., die Schlacht auf dem Lechfeld 955, Leuthen 1757, Napoleons Rußlandfeldzug 1812, die Schlacht an der Marne 1914 und der deutsche Durchbruch an der Maas 1940 deutsche Leser am meisten interessieren könnten. Weitere Schlachten: Salamis 480 v. Chr. zwischen den Flotten der Griechen und Perser unter Xerxes, am Granikos 334 v. Chr. zwischen Alexander des Großen und den Persern, Pharsalus 48 v. Chr. zwischen Cäsar und seinem Gegenspieler Pompeius, Crécy zu Beginn des Hundertjährigen Krieges 1346, Delaware im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg 1776 und zuletzt die Katastrophe der amerikanischen und südkoreanischen Truppen 1951 am Yalu, dem Grenzfluß zu China, die das Schicksal Koreas bis heute entschied.

Schlachtbeschreibungen degenerieren leicht zur Schilderung von scheinbar sinnlosen Massenprügeleien. Für den heutigen Leser sind aber meist vor allem die Ursachen von Sieg oder Niederlage wichtig. Genau deshalb ist die Studie des Verfassers verdienstvoll. Schon das Vorwort setzt als Zweck zu erklären, warum „immer wieder der vermeintlich Schwächere den zahlenmäßig weit überlegenen Gegner bezwingen konnte“. Die zutreffende Antwort: Den Ausgang bestimmen „Einfallsreichtum, Kühnheit und List“, also vor allem „die überlegene Strategie“.

In diesem Satz wird Strategie in der amerikanischen Art genutzt, zudem gebraucht Otto zahlreiche Modernismen wie Underdog und Cäsar „versus“ Pompeius. Weiterhin ist die allzu überschaubare Quellenbasis zu erwähnen; dort fehlen sogar Hans Delbrücks, des Begründers der „Sachkritik“, wegweisende Werke der Militärgeschichte, darunter die vierbändige „Geschichte der Kriegskunst“, die dem Verfasser bei der Korrektur der oft unglaubwürdigen Zahlen und Detailangaben antiker Historiker hätte helfen können. Vorbildlich ist Otto hingegen bei der Nutzung erst vor kurzer Zeit erschienener Studien. Schließlich ist bemerkenswert, daß der Autor ebenso wie Widukind von Corvey von „Reiterlegionen“ des frühen Mittelalters spricht. Doch Widukind schrieb um 960 lateinisch und der Verfasser schreibt deutsch.

Manchen Urteilen wird nicht jeder Leser zustimmen. Hat der Sieg der Griechen bei Salamis wirklich den „Untergang der westlichen Kultur“ durch einen persischen „Vernichtungsfeldzug“ verhindert? Im Nachwort sagt der Verfasser, zukünftige Kriege würden wohl durch Microchips und später sogar durch selbständig denkende Roboter in den Weiten des Weltraums entschieden. Daran dürfte schon der heutige Krieg in Afghanistan Zweifel wecken.

Doch diesen Mängeln stehen gewichtigere Vorzüge entgegen, wie die konsequente Darstellung der Ursachen von Siegen und Niederlagen bei allen geschilderten Schlachten. Bemerkungen zur Wirkung der Schlachten auf das weitere Geschick der beteiligten Völker, Kulturen und Räume treten hinzu. Und stets erklärt der Verfasser überzeugend die Entschlüsse der Feldherrn auch aus deren Charakter. So legt man den Band aus der Hand mit dem Gedanken, daß hie und da ein Lektor und ein (Militär-)Historiker hätten raten können, wo man Aussagen prüfen oder sprachlich die Feile ansetzen könnte, um Widerspruch zu vermeiden. Doch vielleicht ist gerade durch solche provozierenden Eigenarten eine ungemein anregende und zu weiteren Gedanken führende Studie entstanden.

 

Dr. Franz Uhle-Wettler, Generalleutnant a. D. und Militärhistoriker, ist Verfasser des Erfolgsbuches „Höhe- und Wendepunkte deutscher Militärgeschichte. Von Leuthen bis Stalingrad“ (zuletzt Ares Verlag 2006)

Hans-Dieter Otto: Verblüffende Siege – Die größten Überraschungscoups der Kriegsgeschichte. Jan Thorbecke Verlag, Ostfildern 2010, gebunden, 208 Seiten, Abbildungen, 24,90 Euro

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