© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  03/11 14. Januar 2011

Ein teures Vergnügen
Die Politik träumt von einer Million Elektroautos auf deutschen Straßen –technische Fragen sind ungelöst
Christian Bartsch

Bei der noch bis 23. Januar laufenden North American International Auto Show (NAIAS) in Detroit werden sie wieder im Zentrum der medialen Aufmerksamkeit stehen, der Toyota Prius, der Chevrolet Volt oder der Tesla Roadster – Pkws mit teilweisem oder vollständigem Elektroantrieb. Die Technik ist allerdings längst nicht ausgereift, die Reichweite ohne ergänzenden Benzinmotor bescheiden. Preise von 35.000 Euro für reine E-Autos lassen die Verkaufszahlen trotz hoher Spritpreise bescheiden ausfallen. Nach dem Willen der Bundesregierung sollen bis 2020 dennoch eine Million Stromer auf deutschen Straßen fahren. Gleichzeitig sollen die Batterien der Elektroflotte als Speicher für den unzuverlässigen Wind- und Sonnenstrom dienen – ein wohl noch unrealistischeres Ziel.

Das Problem ist dabei nicht der Elektroantrieb – der wurde schon vor 160 Jahren von dem Amerikaner Charles Grafton Page demonstriert –, sondern die Stromversorgung. Noch um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert schien das Rennen zwischen Elektro- und Verbrennungsmotor nicht entschieden, denn letzterer war damals unzuverlässiger als der Elektroantrieb. Erst wenige Jahre vor dem Ersten Weltkrieg hatte sich der Benzinmotor für das Auto durchgesetzt. Der Elektroantrieb blieb speziellen Anwendungen vorbehalten: Transportkarren in Industriehallen, auf Bahnhöfen und Flughäfen, Staplern und Kleintransportern für kurze Distanzen, Rollstühlen oder Fahrrädern.

Erst kürzlich erwarb etwa die Stadt Darmstadt einen kleinen Elektrotransporter, der vorwiegend in der Fußgängerzone verwendet wird, um Serviceaufgaben zu erledigen. Papierkörbe ausleeren, Blumenrabatten gießen, Reparaturen ausführen, Strecken zwischen zehn und zwanzig Kilometern, dann geht’s zur Ladestation zurück. Nicht weniger interessant für den E-Antrieb wären Verteilaufgaben bei der Post innerhalb der Städte. Elektrofahrräder, für die meist schwere Nickel-Metallhydrid-Batterien (NiMH) eingesetzt werden, könnten künftig mit den leichten Li-Ionen-Batterien (Li-Ion), wie sie in Elektrowerkzeugen zu finden sind, zu einem Massenphänomen werden. Aber die Serien werden gegenüber dem konventionellen Automobilbau vorerst so klein wie Leistungen und Reichweiten bleiben.

Denn für ein „richtiges“ Elektroauto hängen die Trauben ungleich höher. Die japanische Firma Nissan wagte sich im Dezember 2010 im Stammwerk Oppama in Yokosuka als erste an die Großserienproduktion eines Elektro-Pkws: Der LEAF bietet das Platzangebot eines VW Polo, ist aber länger und schwerer als ein Golf. Die Reichweite soll bis zu 160 Kilometer betragen, die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 145 km/h.

Zwar fällt der Antrieb leichter aus, aber Batterie (280 Kilogramm, in Kooperation mit NEC gefertigt) und Leistungselektronik erhöhen Gewicht und Platzbedarf, vom Preis (fast 33.000 Dollar) ganz zu schweigen. Deshalb wird der LEAF vorerst nur in Japan (wo ein Netz von Schnelladestationen im Aufbau ist), den USA und einigen EU-Ländern angeboten, wo es eine staatliche Verkaufsförderung gibt. 2012 soll die Produktion beim Allianzpartner Renault anlaufen. Ein Opel Corsa wiegt in Normalausführung 1.130 Kilogramm, ein VW Golf 1.217 Kilogramm. Mit jeweils den kleinsten Dieseln liegt die Reichweite jenseits von 1.000 Kilometern – die unsubventionierten Anschaffungskosten für ein Auto mit Verbrennungsmotor im LEAF-Format sind nur halb so hoch. Da auch Elektroautos nicht nur in der kalifornischen Sonne, sondern auch ganzjährig in Europa fahren sollen, benötigen sie eine Heizung. Scheinwerfer, Scheibenwischer, Instrumentenbeleuchtung und Radio reduzieren die Reichweite im Winter auf gut die Hälfte. Im Sommer ist die Klimaanlage ein Stromfresser.

Alle Hoffnungen ruhen daher auf Entwicklungssprüngen bei den Li-Ion-Akkus. Bei gleichen Abmessungen und Gewicht müßte deren Kapazität um etwa das Zehnfache zunehmen und ihr Preis auf ein Viertel sinken, damit das E-Auto ohne Subvention mit dem Verbrennungsmotor konkurrieren kann. Wie es mit der Sicherheit bei einem Unfall oder bei unsachgemäßer Behandlung steht, vermag niemand zu sagen – ein LEAF-Unfall in den klagefreudigen USA könnte die Nissan-Verkaufsträume schnell platzen lassen. Wirft man ein brennendes Streichholz in eine Dieselpfütze, erlischt es. Die 360 Volt-LEAF-Batterie (24 Kilowattstunden Energie) ähnelt dagegen einer Dynamitpatrone. Zwar soll der Anschluß zur Leistungselektronik bei einem Unfall abgesprengt werden. Aber was ist, wenn das Panzergehäuse um die Batterie bei einem Unfall beschädigt wird und die Feuerwehr die Eingeklemmten mit ihren Schneidwerkzeugen befreien muß?

Das Bundesministerium für Forschung will daher bis 2015 etwa 730 Millionen Euro für die Entwicklung der E-Autos zahlen. „Im Jahr 2020 soll es in Deutschland eine Million Elektrofahrzeuge geben. Doch die Frage, wie diese Ziele am besten zu realisieren sind, ist noch längst nicht beantwortet“, erklärte Wolfgang Runge, bis 2010 Chef der ZF Friedrichshafen Lenksysteme, auf dem jüngsten VDI-Kongreß zur Elektromobilität. Dirk Uwe Sauer, Professor für Energiewandlung an der RWTH Aachen, ergänzte, daß die Autohersteller auch 2020 noch 4.500 Euro für eine Batterie zahlen müßten, die für 100 Kilometer ausreiche. Da sei es billiger, sich ein „richtiges“ Auto zuzulegen, zumal niemand weiß, wann die Batterie erneuert werden muß.

Und bis 2020 wird der Dieselmotor einen weiteren Entwicklungssprung erlebt haben – auch ohne Hybrid wird der Verbrauch um 30 Prozent sinken. Stehen dann ausreichende Mengen an synthetischemBTL-Kraftstoff (Biomass to Liquid) zur Verfügung, haben sich auch die Diesel-Abgasprobleme erledigt. Es spricht viel dafür, daß das E-Auto nicht zum Massenprodukt, sondern eher zum Spielzeug für ökobewegte Millionäre in Kalifornien wird.

 

Hybrid- und Elektroautos

Im Wettlauf um sparsamere Pkw arbeiteten deutsche und französische Hersteller in den vergangenen Jahren vor allem an effizienteren Dieselmotoren. Die Japaner setzen hingegen auf die Kombination von Benzin- und Elektromotor. Das erste Großserienmodell mit dieser Hybridtechnologie brachte Toyota 1997 mit dem Prius auf den Markt, 1999 folgte der Honda Insight. Der Elektromotor dient hierbei dazu, kraftstoffzehrende Beschleunigungsvorgänge abzufangen. Im Stadtverkehr bringt dies Verbrauchsvorteile, bei schnellen Autobahnfahrten steigt der Verbrauch wegen des zusätzlichen Gewichts des E-Antriebes an, weshalb Hybridautos nur in den USA und Japan Verkaufserfolge erzielen. Das erste in Deutschland angebotene reine E-Auto eines Großserienherstellers ist der Mitsubishi i-MiEV. Er wird in Kooperation mit Peugeot (iOn) und Citroën (C-Zero) hergestellt. Der 3,48 Meter lange Kleinstwagen kostet etwa 35.000 Euro. Die Reichweite beträgt theoretisch 150 Kilometer, bei winterlichen Temperaturen sinkt sie auf 80 Kilometer ab. Das „Auftanken“ an einer Spezialschnelladestation dauert eine halbe Stunde.

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