© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  04/11 21. Januar 2011

Kulturrat fordert mehr Toleranz von Deutschen
Integration: Dossier offenbart merkwürdige Ansichten
Fabian Schmidt-Ahmad

Es ist ein altes Spiel. Kaum drohen Islamkritiker in die öffentliche Meinung einzudringen, treten selbsternannte Warner vor einer „Islamophobie“ auf. So auch vergangene Woche, als der Deutsche Kulturrat – Dachverband aller Deutschen Kulturvereine – ein Dossier zum Thema Islam präsentierte. Einen Gegenentwurf zur angeblich „hysterischen Sarrazin-Debatte“ nannte Verbandschef Olaf Zimmermann das 40seitige Heft, in dem sich unter anderem die Bildungsministerin Annette Schavan (CDU), der Vorsitzende des Zentralrates der Muslime Aiman Mazyek, Verfassungsschutzpräsident Heinz Fromm und der innenpolitische Redakteur der Süddeutschen Zeitung, Heribert Prantl, zu Wort melden.

Gleich der erste Beitrag von Zimmermann mit dem bezeichnenden Titel „Zweifellos“ zeigt, wohin die Reise geht. „Dies ist die Schrift, an der nicht zu zweifeln ist“, wird die zweite Sure des Koran zitiert. Wer nun sachte Hinweise erwartet, daß nicht zuletzt aufgrund dieses Denkverbotes der Islam ein Problem mit den Freiheitsrechten hat, der wird enttäuscht. Stattdessen erfährt er, daß der Verbandschef von der „besonderen Sprache“ dieses Buches fasziniert ist („obwohl ich es wegen meiner mangelhaften Sprachkenntnisse nicht im arabischen Original lesen kann“) und sich Rezitationen auf langen Zugfahrten anhört. Dieser anbiedernde Ethno-Kitsch gipfelt dann in Zimmermanns persönliches Glaubensdogma: „Ich für meine Person kann nur sagen: Zweifellos gehört der Islam zu Deutschland.“

Überhaupt zeichnen sich die Beiträge, die eigentlich explizit zur „Versachlichung“ im Umgang mit dem Islam beitragen wollen, durch ein hohes Maß an Glauben aus. Beispielsweise der Glaube, daß Grundgesetz und die islamische Rechtsordnung miteinander vereinbar seien. Diese Anschauung vertritt allen Ernstes Mathias Rohe, Ex-Richter und Gründungsmitglied des Erlanger Zentrums für Islam und Recht in Europa. Oder daß es nur die Anschauung einer radikalen Minderheit von Moslems sei, den Islam als politisches Konzept zu verstehen. Eine erstaunliche Sichtweise offenbart hier der Verfassungsschutzpräsident: „Unser Blick richtet sich nicht auf die Religion oder Gläubige als ein homogenes Ganzes. Dieser Blick auf die Umma – die Gemeinschaft aller Gläubigen – wäre der, den Islamisten haben.“

Da aber – bis auf eine Minderheit – genau dies das muslimische Selbstverständnis ist, führt es zur Frage, ob der Chef des deutschen Inlandgeheimdienstes hier nicht den ganz normalen Islam mit „Islamismus“ verwechselt. Diese säuberlich selektierte Wahrnehmung in einen friedlichen Islam einerseits und einen „Islamismus“ andererseits ist allerdings bei den Deutschen weitgehend unüblich, weshalb Fromm seine Aufgabe in der Propaganda sieht: „Diese Unterscheidung ist die Grundlage für unser Tätigwerden und auch ein fester Bestandteil unserer Öffentlichkeitsarbeit.“

Seltsame Sichtweisen offenbart auch der Zentralratsvorsitzende der Muslime, Mazyek, der sich gleich in mehreren Beiträgen bitter über die Feindseligkeit beklagt, die Moslems in Deutschland entgegenschlage. „Alltags-Diskriminierungen bei Arbeits- oder Wohnungssuche nehmen zu. Die Situation ist kein Zuckerschlecken für deutsche Muslime.“ Völlig unberechtigt, wie der Islamfunktionär findet und daher von den Deutschen mehr Toleranz gegenüber dem Islam fordert: „Der Islam mit seiner 1.400jährigen Geschichte belegt ja nur allzu deutlich, daß er friedliche Absichten hat, niemand kann das leugnen.“

Den Lorbeerkranz in Sachen Demagogie muß Mazyek aber an Prantl abgeben. Dieser sinniert in einem Kommentar über die „gewaltige Heuchelei“ einer „christlich-jüdischen Tradition“: „Die deutsche Politik drückt die alte, früher stigmatisierte Minderheit der Juden an die Brust, um die neue Minderheit, die Muslime, zu stigmatisieren.“ Prantl ahnt Schlimmes.  „Zum 72. Jahrestag der Reichspogromnacht wird eine neue Kategorisierung der Minderheiten propagiert.“ Mit anderen Worten: Insgeheim wollen Islamkritiker Moslems vergasen, und zur Tarnung bedient man sich einzelner Juden. So sehen wohl politisch korrekte Verschwörungstheorien aus.

Die Schrift „Islam. Kultur. Politik“ kann beim Deutschen Kulturrat, Chausseestraße 103, 10115 Berlin bestellt oder im Internet abgerufen werden. www.kulturrat.de

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