© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  04/11 21. Januar 2011

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Frau Böhmer und das S-Wort
Marcus Schmidt

Maria Böhmer (CDU) hat immer etwas zu sagen. Jedesmal wenn in Deutschland das Thema Ausländer auf der Tagesordnung steht, ist die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung eine der ersten, die sich zu Wort meldet. In Erinnerung bleiben ihre Beiträge indes selten – ihre Presseabteilung arbeitet hier ganz nach dem Motto: Masse statt Klasse. Die Substanz bleibt dabei auf der Strecke.

Doch es ist durchaus nachvollziehbar, daß sich Böhmer so regelmäßig zu Wort meldet. Viel mehr Möglichkeiten bleiben der im Kanzleramt beheimateten Staatsministerin ansonsten nicht, um auf sich aufmerksam zu machen. Ohne eigenes Ressort sitzt sie im Kabinett sozusagen am Katzentisch und hat nicht die Möglichkeit, wie ihre Kabinettskollegen millionenschwere Programme durchzusetzen, um damit (auch) das eigene Renommee zu mehren. Vergeblich hatte Böhmer nach der Bundestagswahl 2009 bei Merkel um ein eigenes Ministerium gekämpft, um als erste Integrationsministerin in die Geschichte einzugehen. Doch stattdessen vereinbarten Union und FDP in den Koalitionsverhandlungen lediglich, einen Integrationsbeirat unter dem Vorsitz Böhmers einzurichten.

In der vergangenen Woche nun präsentierte Böhmer in Berlin stolz ihre Pläne. Doch das mit der üblichen Integrationsprosa versehene Konzept („Der Beirat soll das Miteinander und den Zusammenhalt in unserem Land stärken“) bietet nichts Neues. Wahrscheinlich wäre es ohne die im vergangenen Jahr von Thilo Sarrazin losgetretene Integrationsdebatte nie zur Gründung des Beirats gekommen.

Um so auffälliger war es, wie verbissen sich Böhmer bemühte, das S-Wort zu vermeiden. In ihrer Vorstellung des Integrationsbeirates kam der Name des Mannes, der die Integrationsdebatte in den vergangenen Monaten wie kein anderer geprägt und der ihr neuen Schwung gegeben hat, nicht einmal vor. „Ich nenne mal ein besonderes Buch“, sagte sie, als sie auf die Integrationsdebatte zu sprechen kam, und sprach den Titel „Deutschland schafft sich ab“ dann doch nicht aus. Erst als sie von einem Journalisten direkt auf Sarrazin angesprochen wurden, erwähnte sie diesen und warf ihm vor, ein Zerrbild zu zeichnen und keine Beispiele gelungener Integration zu liefern.

Auch hier soll der 32 Mitglieder starke Integrationsrat künftig  gegensteuern. Dem Gremium werden unter anderem zehn Vertreter von Einwandererorganisationen wie etwa der Türkischen Gemeinde in Deutschland, dem Kroatischen Weltkongreß und dem Bundesverband Deutsch-Arabischer Vereine angehören. Zudem sollen auch Vertreter anderer gesellschaftlicher Gruppen wie etwa der Kirchen in den Beirat berufen werden. „Die Debatten der vergangenen Monate haben gezeigt, daß wir die einheimische deutsche Bevölkerung stärker einbeziehen müssen“, sagte die Staatsministerin.

Daß der Bundesbeirat für Integration am Ende zu einem zählbaren Ergebnis führen wird, glaubt aber vermutlich nicht einmal Maria Böhmer.

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