© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  04/11 21. Januar 2011

Blick in die Medien
Eine Spalte nur für Leserinnen der „taz“?
Ronald Gläser

Werden Frauen bei uns diskriminiert? Wohl kaum. Das Gerücht, Frauen würden noch immer gezielt benachteiligt, hält sich jedoch wacker. Unter der Leserschaft der taz ist jetzt eine Diskussion darüber ausgebrochen, ob die Zeitung eine zusätzliche „Leserinnenbriefspalte nur für Frauen“ benötigt. Auslöser für die eigentümlich alternative Debatte ist die Beschwerde einer Leserin, der die „Benachteiligung“ von Frauen bei der Veröffentlichung von Leserbriefen aufgefallen ist. An zwei Tagen hintereinander sei kein einziger Brief einer Frau abgedruckt worden. Wie gemein!

Die taz-Redaktion sah sich sofort zu einer umfassenden Rechtfertigung veranlaßt. Kaum zu glauben: Es gehen in der Rudi-Dutschke-Straße einfach zu wenig Leserbriefe von Frauen ein. Die Leserinnenbriefredakteurin – das Ressort heißt tatsächlich Leserinnenbriefe – konnte sich die Vermutung nicht verkneifen, daß die Ursache für die niedrige Zahl von Leserinnenbriefen daran liege, daß „Frauen immer noch benachteiligt werden“.

Die Leserschaft diskutiert seitdem lebhaft im Internet, der Tenor ist eher ablehnend gegenüber publizistischen Extrawürsten. Ein „Matthias M.“ meint, dann bräuchte die taz auch eine Leserbriefspalte für „Schwule, Lesben und Juden“. Jemand anders fordert eine Spalte für Moslems. „Daniel“ schlägt vor, Frauenleserbriefe einfach „größer zu drucken“, damit sie genausoviel Platz einnehmen wie Männer-Leserbriefe.  „Claudi“ schließlich hat die Idee, Vornamen abzukürzen und die Verfasser damit zu neutralisieren. Satire oder Ernst? Schwer zu sagen.

Eins dagegen ist sonnenklar: Die taz versteht keinen Humor in der Geschlechterfage und hat auf die Vorwürfe reagiert: Seit dem Beginn dieser Debatte wird penibel auf „Geschlechtergerechtigkeit“ geachtet. Auf jeden Männer-Brief kommt jetzt ein Frauen-Brief.

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