© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  04/11 21. Januar 2011

An der Grenze zum Bizarren
Jörg Lanz von Liebenfels
Harald Harzheim

Als der Ex-Zisterziensermönch Jörg Lanz von Liebenfels (1874–1954) auf den ideologischen Plan trat, waren seine Zeitgenossen noch immer von Darwins Thesen gekränkt: Mensch und Affe hatten einen gemeinsamen Vorläufer. – „Nein, nicht alle!“ beruhigte Liebenfels in seiner „Theozoologie“ (1905). Die einstigen, blonden „Arioheroen“ stammten nämlich vom Flugsaurier ab, hatten elektrische Organe und waren potentiell unsterblich. Allerdings gab es noch die „Sodomsäfflinge“, halb Tiere, halb Menschen. Das führte laut Liebenfels zu einem Problem: Die arischen Frauen, vor allem die Aristokratinnen, zogen die „Sodomswonnen“ den lendenlahmen Artgenossen vor, züchteten so ihre Rasse herunter, hinab zum heutigen Mischlingsmenschen.

Mit diesen Phantasien faszinierte Lanz-Liebenfels zahlreiche Zeitgenossen: Der antifemistische Dramatiker August Strindberg oder die „Femme fatale“-Verehrer Karl Krauss und Alfred Kubin hatten Spaß am Liebenfelsschen Sodomsgrusel. Der erste Lanz-Biograph Wilfried Daim ging davon aus, daß Hitler massiv von dessen Regenerationstheorien (Zuchtwahl, Sterilisation usw.) beeinflußt war und identifizierte den Fantasy-Theoretiker gar als den „Mann, der Hitler die Ideen gab“ (1954). Lanz-Nachfolger Rudolf Mund stellte dem eine „unwissenschaftliche“ (Armin Mohler), wirre Apologie entgegen („Jörg Lanz von Liebenfels und der Neue Templer Orden“, 1976) .

Jetzt brachte der Unitall-Verlag eine dritte Biographie heraus. Autor Horst Lorenz, Chronist von Liebenfels’ Neuem Templerorden (ONT), breitet große Materialsammlungen aus, verrät intime Kenntnisse über die Geschichte des Ordens, hinzu kommt ein großer Anhang seltener Primärtexte. Lorenz’ Behauptung jedoch, daß Liebenfels den Zeitgenossen weiterhin „schmerzhafte Einblicke in die Menschheitsentwicklung“ erlangen lasse, bleibt unbelegt. Lorenz versucht nicht, wie etwa Rudolf Steiner, Lanzens Bestiarium in spirituelle oder psychologische Symbole umzudeuten, sondern durch fragwürdige Bezüge zur modernen Genetik wörtlich zu nehmen. Hinzu kommt ein Großmaß an Verharmlosung; brutale Passagen aus dem Liebenfels-Werk finden keine Erwähnung. So bleibt er unrettbar ein historisches Kuriosum.

Horst Lorenz: Theozoologie und Ariosophie. Die Neutempler und die assyrischen Menschentiere. Unitall Verlag, Salenstein 2010, gebunden, 480 Seiten, Abbildungen,  19,90 Euro

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