© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  05/11 28. Januar 2011

Theo und das schleichende Gift
„Kampf gegen Rechts“: DFB-Präsident Zwanziger will die Demokratie retten
Felix Krautkrämer

Das Böse kommt oft in der Maske des Guten“, weiß Theo Zwanziger zu berichten. Dem Präsidenten des Deutschen Fußballbunds (DFB) macht schließlich niemand so leicht etwas vor (JF 49/08). Wäre er ein „Neonazi“, so Zwanziger, wüßte er, was er zu tun hätte: „Ich ginge in die Sportvereine.“ Dort würde er dann still und heimlich die Werte, die dem Sport zugrunde liegen, unterwandern.

Doch Zwanziger wäre nicht DFB-Chef, hätte er für die vermeintliche Bedrohung nicht die passende Abwehrstrategie parat: „Wir müssen dem schleichenden Gift des Nationalsozialismus entgegentreten“, forderte der 65jährige vergangene Woche auf der Veranstaltung „Foul von Rechtsaußen – Sport verein(t) für Toleranz, Respekt und Menschenwürde“ in Berlin. Zu dieser hatten neben dem DFB das Innen- und das Familienministerium sowie der Deutsche Olympische Sportbund geladen. Anlaß war die Vorstellung des Programms „Verein(t) gegen Rechtsextremismus“, das eine engere Zusammenarbeit von Politik und Sport im Kampf gegen „jegliche rechtsextremistische Erscheinungsform“ zum Ziel hat.

Gerade der Politik erscheint der Sport als Allheilmittel für sämtliche gesellschaftlichen Probleme. So könnten „gut geführte Vereine“ laut Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) nicht nur „wichtige Faktoren des gesellschaftlichen Zusammenhalts“ fördern, wie „Zugehörigkeitsgefühl“ und „freiwilliges Engagement“, sondern auch das „Demokratiebewußtsein“ stärken.

Das dafür vorgesehene Konzept baut auf den Ergebnissen der vom Bundesinnenministerium in Auftrag gegebenen Untersuchung „Rechtsextremismus im Sport in Deutschland und im internationalen Vergleich“ aus dem Jahr 2009 auf. Verantwortlich hierfür ist unter anderem der Hannoveraner Sportsoziologe Gunter A. Pilz. Ein Blick in die Zusammenfassung der Studie zeigt, wohin die Reise gehen soll. Rechtsextremismus sei ein politisches Problem in der „Mitte der Gesellschaft“ und „rechtsextreme Einstellungen in allen gesellschaftlichen Gruppen anzutreffen“. Als Beleg für solche Aussagen dienen den Wissenschaftlern um Pilz unter anderem Untersuchungen der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung und des Bielefelder Soziologen Wilhelm Heitmeyer (JF 12/08).

Pikantes Detail: Die vom Innenministerium beauftragte Studie lobt auch das Engagement „vor Ort aktiver Antifa-Gruppen“ bei der Auseinandersetzung mit dem Thema Rechtsextremismus in Sportvereinen. Entsprechend lesen sich die empfohlenen Handlungsstrategien. So soll Vereinen, in denen rechtsextreme Personen als aktive Mitglieder wirken, die Aufnahme in den jeweiligen Landessportbund verweigert und rechtsextremen Eltern, die ihre Kinder in Sportvereinen anmelden, ein „Haus- oder Platzverbot“ erteilt werden. Daneben bedarf es laut den Experten einer Fülle von Fachtagungen, Kongressen, Lehrgängen und Kampagnen gegen und Rassismus sowie einer „deutlichen Positionierung“ der Vereine, beispielsweise durch ein „Bekenntnis gegen Rechtsextremismus auf der Rückseite jeder Eintrittkarte“.

Wie akut die Gefahr der Unterwanderung von Sportvereinen durch Rechtsextremisten ist, darüber wollen Pilz und seine Koautoren keine Aussage treffen. Auch die Frage, „wie intensiv sich die tatsächliche Einflußnahme rechtsextremistischer Gruppen oder Personen im Sport darstellt“, bleibt ungeklärt. Hierzu fehlt es offenbar an quantitativ belastbaren Erhebungen.

Ganz im Gegensatz zu einem anderen Problem, dem aber weder das für den Sport zuständige Innenministerium noch der DFB eine größere Priorität einräumen: Nach einem Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom November 2008 ergab eine Auswertung von rund 4.000 Fällen vor Sport- und Schiedsgerichten, „daß zwei Drittel aller verhandelten Spielabbrüche von Spielern mit Migrationshintergrund verursacht wurden“. Es handelte sich dabei mehrheitlich um Spieler türkischer oder kurdischer Herkunft. Auf diese Problematik wies 2008 auch Pilz in einer Stellungnahme für den Sportausschuß des Bundestages hin.

Offenbar ohne großen Erfolg. Auf der Veranstaltung in der vergangenen Woche zogen es sämtliche Beteiligte vor, sich Forderungen nach einer konsequenteren Bekämpfungen von „rechtsextremen und menschenverachtenden Verhalten“ anzuschließen. Die „voraussichtlichen Kosten der langfristig angelegten Aktion“ lassen sich laut einem Sprecher des Innenministeriums „zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht
beziffern“.

Foto: DFB-Chef Theo Zwanziger:  „Ich ginge in die Sportvereine“

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