© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  05/11 28. Januar 2011

CD: Young Gods
Die Kunst des Zitats
Georg Ginster

Der popkulturelle Weltgeist ist in dialektischer Bewegung, doch muß niemand befürchten, daß die List der Vernunft auf einen Endzweck aus sein könnte. Dies wäre wenig unterhaltsam, und gerade Langeweile gilt es ja dort zu vermeiden, wo man für einen Moment wähnen soll, nicht in der Fron der Daseinserhaltung zu stehen, um sich ihr nach der Verschnaufpause um so beherzter widmen zu können. Zudem darf darauf vertraut werden, daß Nachwachsende stets bemüht sein werden, aus dem Schatten vorangegangener Alterskohorten zu treten. Irgendwann werden diejenigen, zu denen man aufschaute, eben peinlich und die Musik, von der sie vorgaben, sie würden durch sie beseelt, mit ihnen.

Das Alte gibt sich zumeist aber nicht geschlagen, sondern lebt fort, solange die biologische Uhr von Anbietern und Nachfragenden tickt. Das Resultat ist eine wachsende Gleichzeitigkeit von Jugendkulturen für alle Altersgruppen von der Pubertät bis zur Vergreisung. Das Neue wiederum muß so neu gar nicht sein, am Ende zählt, wie es die Fehlfarben vor Urzeiten einmal ausdrückten, die Kunst des Zitats.

Diese beherrschten die Young Gods von ihren ein Vierteljahrhundert zurückliegenden Anfängen an. In der Verwurstelung von Samples gelten die Schweizer Musiker als Pioniere, die damit allerdings eher andere, bekanntere Bands wie Nine Inch Nails oder Ministry inspiriert haben sollen, ohne selbst jemals en vogue zu werden. Die Sperrigkeit, in den Einverleibungsstrategien bis hin zu Schostakowitsch und Weill auszugreifen, mag dazu beigetragen haben.

Die neue CD „Everybody Knows“ (Two Gentlemen/Indigo) wagt sich mit ungleich bescheideneren Anleihen an ein Experiment, das von Nostalgie getragen ist. Ihrer Einladung zu einem akustischen Trip mag jedoch nur folgen, wer auch dazu imstande wäre, sich auf die Urklänge des psychedelischen Genres, wie etwa die ausufernden Litaneien der Doors, einzulassen. Derartige Fluchtwege haben jedoch längst ihren Reiz eingebüßt. Immerhin lassen es die Young Gods an nihilistischem Sarkasmus nicht mangeln. Dem geglätteten Trübsinn, mit dem Epigonen des ätherischen Shoegazing ihre Hörer in Selbstverliebtheit zu verstricken vermögen, gebieten sie durch lärmende Weckrufe Einhalt.

Keine subversiven Attitüden muß hingegen befürchten, wer auf die Band Wintersleep stößt, schließlich haben sich die fünf Kanadier, die so firmieren, für ihr Gemeinschaftswerk einen sprechenden Namen zugelegt. Ihre Methode scheint es zu sein, das, was ihnen an Soundelementen in der etwas schwermütigeren Ausprägung des „Indie-Rock“ imponierte, aufzubewahren, um es zu einem zumeist viel späteren Zeitpunkt, wenn sich die Originale längst ganz anders anhören, neu zu kompilieren.

Auf der aktuellen CD, „New Inheritors“ (One-Four-Seven Records), werden daher die Fortschrittsverweigerer in den Gemeinden gleich mehrerer Bands fündig, von Interpol bis zu den Editors. Als gefühlte Coverband, der niemand anmerkt, daß sie in Wahrheit eigene Kompositionen spielt, könnte Wintersleep Popgeschichte schreiben, gäbe es nicht Mitbewerber, die das Metier noch viel besser beherrschten.

Young Gods, Everybody Knows Two Gentlemen (Indigo) 2010 www.twogentlemen.net

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