© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  05/11 28. Januar 2011

Heroischer Widerstand
Tiroler Freiheitskampf: Philipp J. Pamers Historiendrama „Bergblut“
Hans Gernheim

Spielfilme über Andreas Hofer und die Zeit des Tiroler Volksaufstandes gegen das mit Napoleon verbündete Bayern wurden seit den ersten Gehversuchen des deutschen Films mehrere verwirklicht. Alle haben eines gemeinsam: Im Zentrum steht der Held jener Tage, der bärtige Kommandant der Tiroler Schützen Andreas Hofer.

Selbst in Luis Trenkers Film „Der Feuerteufel“ (1940) sollte eigentlich Josef Speckbacher, der Nordtiroler Vizekommandant des Aufstandes von 1809, dargestellt werden. Nur der Intervention des Propagandaministers Joseph Goebbels ist es zuzuschreiben, daß als „Feuerteufel“ schließlich ein namenloser Bergbauer aus Kärnten auftritt – die außenpolitische Rücksichtnahme auf das verbündete faschistische Italien sollte dafür ausschlaggebend sein.

Als bisher letzter Versuch galt der Film „Andreas Hofer – Die Freiheit des Adlers“ (2002) mit dem auch in Deutschland als Kommissar Rex bekannt gewordenen Tobias Moretti in der Hauptrolle. Damals zeichnete für das Drehbuch der Nordtiroler Haus- und Hofpoet Felix Mitterer verantwortlich – und so war dann aus Andreas Hofer ein launenhafter und ehebrecherischer Trunkenbold geworden. Trotz einzelner starker Szenen bleibt Mitterers Film dem Zeitgeist verhaftet, der sich den Tiroler Volksaufstand nur als ein anachronistisches Aufbäumen der reaktionären Bergbewohner gegen den Segen der Aufklärung vorzustellen vermag.

Der jüngste Streifen zum Thema betrachtet nun die Zeit des Tiroler Freiheitskampfes aus der Sicht der unmittelbar betroffenen „kleinen Leute“ – was bei erstem Hinsehen als historisierender Sozialkitsch anmutet, entpuppt sich allerdings als ein veritables Meisterwerk. Der erst 25jährige Regisseur Philipp Josef Pamer, in Meran geboren und  im Passeiertal, der engeren Heimat Andreas Hofers, aufgewachsen, erzählt in seinem Spielfilmdebüt die Liebesgeschichte zwischen einer jungen bayrischen Frau aus bürgerlichem Hause und einem Tiroler Handwerksburschen vor dem Hintergrund des Jahres 1809.

Die Bürgerstochter Katharina und der Tiroler Handwerker Franz sind jung vermählt und erwarten ihr erstes Kind, als ein französischer Besatzungssoldat Katharina drangsaliert. Katharina verliert ihr Kind, und Franz erschlägt im Affekt den französischen Soldaten, der im übrigen stellvertretend für die Überheblichkeit der radikalen Aufklärung steht. Als einziger Ausweg bleibt dem jungen Paar die Flucht in Franz’ Heimat, in das gebirgige Passeiertal in Tirol.

Pamer gelingt es nicht nur, ein sehr lebensnahes, niemals verkitschtes Bild damaliger sozialer Verhältnisse darzustellen, sondern er skizziert feinfühlig die Schwierigkeiten, die das junge Paar in der kargen, bäuerlich geprägten Welt überwinden muß. Den Hintergrund bildet der tirolisch-bayrische Konflikt, den Pamer in all seinen Facetten wiedergibt. Keine zeitgeistige oder nationalistische Schablonenmalerei – die kernigen, aber reaktionären Tiroler gegen die gebildeten, aber frankophilen Bayern – trübt den Handlungsstrang des Filmes, der beide Seiten zu Wort kommen läßt.

Im Zentrum steht die schwierige Beziehung der beiden Hauptdarsteller (großartig in der weiblichen Hauptrolle: Inga Birkenfeld), wobei die bayrische Bürgerstochter alle „städtischen“ Attitüden abzulegen lernt und endlich die Anerkennung der Bauernfamilie ihres Mannes erringt. Da sie durch Verstümmelung das Ausrücken ihres Gatten Franz (Wolfgang Menardi) zur vierten und letzten Bergisel-Schlacht verhindert, rettet sie ihm zwar das Leben, wird aber vom Hof verstoßen. Als Krankenschwester versorgt sie die Verwundeten der für die Tiroler so bitteren Niederlage und versucht schließlich gemeinsam mit ihrem versöhnten Gatten noch einen verzweifelten Rettungsversuch für den Volkshelden Hofer, der sich aber den französischen Häschern gefangen gibt, um seine Verantwortung am Aufstand zu tragen.

Der Film schildert den Freiheitskampf der Tiroler mit all den negativen Begleiterscheinungen eines bewaffneten Konflikts und ohne falsches Pathos, billigt aber dem Aufstand der Tiroler auch ein klein wenig von jenem Heroismus zu, der ihm eigen war. Es mag bezeichnend sein, daß der Bayerische Rundfunk maßgeblicher Träger der Produktion war – dem damaligen Konflikt wird heute gemeinsam gedacht.

„Bergblut“ wurde in Südtirol bereits vor einem halben Jahr gezeigt und mit Begeisterung aufgenommen. Regisseur Pamer hat es verstanden, nicht nur eine stimmige und spannende Handlung in eine bis heute als zentral betrachtete geschichtliche Epoche Tirols einzubauen. Sein Bemühen um größtmögliche Authentizität kommt nicht nur in Kulissen, Außenaufnahmen und Kostümen zum Ausdruck, sondern führte auch dazu, vor allem Süd- und Nordtiroler Schauspieler zu engagieren (Martin Abram, Verena Buratti, Peter Mitterrutzner), die durchweg eine überzeugende Leistung abliefern.

Wer sich für ein Kapitel deutscher Geschichte interessiert, für den Freiheitskampf eines Volkes, der objektiv, aber mit einer untergründigen Sympathie für die Tiroler Sache dargestellt wird, der darf sich bei „Bergblut“ auf zwei spannende Kinostunden freuen.

Foto: Andreas Hofer (Klaus Gurschler) hält im Sandwirtshaus (Originalmotiv) eine Rede: 1809 führte er die Tiroler Aufstandsbewegung gegen die bayerische und französische Besetzung seiner Heimat an

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