© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  06/11 04. Februar 2011

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Der Kampf hat begonnen
Marcus Schmidt

Berlins Sozialsenatorin Carola Bluhm macht sich Sorgen. Ernste Sorgen. Die Politikerin der Linkspartei sieht die Zivilgesellschaft in Gefahr. Nicht mehr und nicht weniger. Anlaß ist die von Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) durchgesetzte „Demokratieerklärung“. Diese müssen künftig alle Organisationen unterzeichnen, die Fördergelder aus dem Bundesprogramm „Toleranz fördern – Kompetenz stärken“ erhalten wollen.

Unter den zahlreichen linken und linksextremistischen Organisationen und ihren Mitarbeitern, die seit Jahren gut von den reichlich fließenden staatlichen Millionen im „Kampf gegen Rechts“ leben, herrscht deshalb seit Wochen große Aufregung. Denn viele dieser Gruppierungen haben meist eine ganz eigene Vorstellung von Demokratie – und diese hat meist viel mit „Antifaschismus“, aber oftmals wenig mit der freiheitlich demokratischen Grundordnung zu tun. Da wird die Demokratieerklärung schnell zum Stolperstein.

Doch Hilfe naht: Das Land Berlin hat in der vergangenen Woche beim Bund offiziell Widerspruch gegen die Koppelung der Demokratieerklärung an die Förderung der Träger eingelegt. Dabei stützt sich der Senat auf ein Gutachten des Berliner Verwaltungsrechtlers Ulrich Battis, der Teile der Erklärung für verfassungsrechtlich bedenklich hält.  Bluhm versucht außerdem, Verständnis für die Sorgen und Nöte der Betroffenen zu wecken: „Vereine und Projekte stehen jetzt vor der existentiellen Entscheidung, eine zweifelhafte Erklärung zu unterschreiben und Aufgaben des Verfassungsschutzes zu übernehmen oder ihre Arbeit zu reduzieren oder gar einstellen zu müssen.“

Kristina Schröder dürfte unterdessen den Aufschrei der linken und linksextremistischen Szene in ihrem Ministerium unweit des Gendarmenmarkts in Berlin-Mitte mit Wohlwollen zur Kenntnis nehmen. Denn der Streit über die Demokratieerklärung macht fast vergessen, daß es sich dabei nur um ein geschicktes Rückzugsgefecht der jungen Ministerin handelt. Ursprünglich wollte die hessische Nachwuchspolitikerin die (finanziellen) Auswüchse des „Kampfes gegen Rechts“ eindämmen – doch da war sie noch Extremismusexpertin ihrer Frak-tion. Aus den großen Ankündigungen ist nach ihrem Aufstieg zur Ministerin nicht viel geworden. Von einer Kürzung der jährlich 24 Millionen Euro, die in den Kampf gegen Rechts fließen, ist längst keine Rede mehr. Stattdessen hat die Ministerin fünf Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung gestellt, die nun in die Bekämpfung von Islamismus und Linksextremismus fließen.

Der Widerspruch des Berliner Senats ist unterdessen nur eine Seite der breiten Abwehrfront gegen die als Zumutung empfundene Erklärung. Am Dienstag hat Kristina Schröder vermutlich eine Menge Faxe erhalten. Diesen Tag hatten die betroffenen Vereine zum Aktionstag gegen die Demokratieerklärung erklärt und dazu aufgerufen, Protest-Faxe an das Familienministerium zu schicken. Damit sollte auch deutlich gemacht werden: Der Kampf gegen die Demokratieerklärung hat gerade erst begonnen.

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