© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  07/11 11. Februar 2011

Jetzt noch nicht
Islam: Gegen die Burka in Amtsstuben sind fast alle, für ein Verbot erst wenige
Hans Christians

Der Streit um ein mögliches Burka-Verbot im öffentlichen Dienst hat in den vergangenen Tagen an Schärfe gewonnen (siehe Kommentar Seite 2). Anlaß war die Ankündigung einer städtischen Mitarbeiterin in Frankfurt am Main, künftig vollverschleiert in einem Frankfurter Bürgeramt arbeiten zu wollen. Die Muslimin hatte bislang bereits ein Kopftuch getragen. Nach der Ankündigung der Frau erließ die hessische Landesregierung in der vergangenen Woche prompt ein Burka-Verbot für öffentlich Bedienstete.

Als erster möglicher Nachahmer meldete sich Niedersachsen zu Wort. „Die Burka hat im öffentlichen Dienst nichts zu suchen“, sagte der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann (CDU) Ende der Woche. „Wir prüfen zur Zeit eine eigene gesetzliche Regelung sowohl für Angestellte als auch Beamte.“ Seine Kabinettskollegin, die Integrations- und Sozialministerin Aygül Özkan, sprang dem Innenminister bei.

 „Eine Burka in einem Bürgeramt zu tragen, überschreitet das Prinzip der Toleranz“, sagte Özkan der Neuen Presse. Der Bürger habe Anspruch darauf, „daß eine Verwaltung auch Gesicht zeigt“. Der hessische Innenminister Boris Rhein, ebenfalls CDU, hatte den Erlaß mit der religiösen Neutralität begründet. Auch in anderen Bundesländern ist die Diskussion um den Umgang mit Burka-Trägerinnen entflammt, auch wenn die Frau, die die Debatte ausgelöst hat, mittlerweile ihr Arbeitsverhältnis mit der Stadt Frankfurt aufgelöst hat.

 Sachsen-Anhalt sieht beispielsweise keine Notwendigkeit für ein generelles Verbot:. „Für eine entsprechende Regelung gibt es in Sachsen-Anhalt überhaupt keinen Anlaß“,  teilte der Sprecher des Innenministeriums, Martin Krems, mit. Anders sehen dies die Landespolitiker in Baden-Württemberg. Neben Innenminister Heribert Rech (CDU) hat sich auch der baden-württembergische Städtetag grundsätzlich für ein Verbot ausgesprochen. „Wer sein Gesicht nicht zeigen will, hat im öffentlichen Dienst nichts zu suchen“, sagte Verbandssprecher Manfred Stehle.

Den Behörden in Nordrhein-Westfalen war dagegen kein Fall bekannt, daß eine Verwaltungsmitarbeiterin mit einer Burka zum Dienst kommen will. „Sollte sich die Frage konkret stellen, werden wir im Einzelfall entscheiden, ob und welche rechtlichen Schritte notwendig sind“, heißt es in einer Erklärung des Innenministeriums. Auch überregional sorgte das Thema für Gesprächsstoff.

Der SPD-Politiker Sebastian Edathy hält zum Beispiel eine deutschlandweite Regelung für denkbar. Gegen ein Verbot der Verschleierung im öffentlichen Dienst sei nichts einzuwenden. Allerdings sei das Ganze praktisch kaum von Bedeutung. „Die Relevanz einer solchen Regelung dürfte ähnlich groß sein, als wenn man Staatsbediensteten das unbekleidete Erscheinen zur Arbeit verbieten würde“, sagte er: „Beide Fälle dürften so gut wie nie vorkommen.“

Ähnlich argumentierte auch der CSU-Innenexperte Hans-Peter Uhl: Ein Burka-Verbot auf der Straße halte er angesichts der geringen Zahl von Trägerinnen für überflüssig. „Ein Verbot im öffentlichen Dienst für Beamte und Angestellte ist für mich eine Selbstverständlichkeit. Der Dienstherr kann das aber nach geltendem  Recht schon heute durchsetzen. Wir brauchen dazu keine neuen Gesetze“, sagte Uhl. Der Vorsitzende des Innenausschusses des Bundestages, Wolfgang Bosbach (CDU), kann sich nur eine Situation vorstellen, die die Politik zum Handeln zwingen könnte. Sollten Gerichte irgendwann einmal Ganzkörperverschleierungen tatsächlich am Arbeitsplatz für zulässig
erklären, „dann müßte der Staat allerdings
reagieren und ein Burka-Verbot erlassen“, sagte Bosbach.

Juristen haben sich mittlerweile längst Gedanken über den Umgang mit der Ganzkörperverschleierung gemacht: Der Staatsrechtler Ulrich Battis sagte dem Kölner Stadtanzeiger: „Der Bürger hat einen Anspruch darauf, daß die Verwaltung ihm ihr Gesicht zeigt. Das Tragen einer Burka im öffentlichen Dienst kann deshalb bereits jetzt untersagt werden – allerdings nur, wenn der Beamte oder Angestellte mit Publikumsverkehr konfrontiert ist. Das ist das Entscheidende.“

Der Berliner Rechtswissenschaftler fügte hinzu: „Bei einem generellen Burka-Verbot in der Öffentlichkeit bin ich außerordentlich zurückhaltend. Das ist verfassungsrechtlich nicht zulässig.“

Der Vorsitzende der Grünen, Cem Özdemir, witterte hinter der aktuellen Debatte dagegen fremdenfeindliche Ansätze. „Man soll aus einem Einzelfall keine Symboldebatte konstruieren, die an den wahren Problemen vorbeigehe. Mit einem Burka-Verbot behebt man jedenfalls nicht die Bildungsbenachteiligung vieler Migrantenkinder“, warnte er.

In der Bevölkerung scheint die Meinung eindeutig. Laut einer Emnid-Umfrage für den Focus lehnen 75 Prozent der Befragten komplett verschleierte Mitarbeiterinnen in einer Verwaltung ab. 20 Prozent der Deutschen sind gegen ein Burka-Verbot, sechs Prozent der Befragten zeigten sich unentschlossen.

Foto: Vollverschleierte Frau: Besteht noch kein Grund zum Handeln?

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