© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  07/11 11. Februar 2011

Angriffe auf Deutsche
Grenzenlose Verbrechen: Das niederschlesische Görlitz leidet unter den Folgen der Schengen-Erweiterung
Paul Leonhard

Kaum ist der letzte Schnee geschmolzen, beginnen im sächsisch-polnischen Grenzgebiet wieder die Raubüberfälle. Das erste Opfer war Mitte Januar eine 48jährige Frau. Die Täter flüchteten anschließend über die seit dem Beitritt Polens zum Schengen-Raum unbewachte Stadtbrücke in Görlitz. Kurz darauf wurde in der Stadt ein 67 Jahre alter Rentner von drei Polen ausgeraubt und erstochen. Diesmal gingen die Täter der Polizei ins Netz. Derlei Gewalttaten gehören mittlerweile zum Alltag in der niederschlesischen Grenzstadt, deren Bewohner ganz besonders von den Auswirkungen des Wegfalls der Grenzkontrollen zu Polen und der damit steigenden Kriminalitätsrate betroffen sind.

 Noch immer bewegt die Görlitzer, was in der Silvesternacht passiert ist. Knapp drei Dutzend polnische Jugendliche waren über die Stadtbrücke in die Altstadt gekommen und hatten Passanten zusammengeschlagen. Aus heiterem Himmel sei plötzlich eine Faust in seinem Gesicht gelandet, berichtet ein 21 Jahre alter Görlitzer. Von wahllosen Angriffen auf Passanten durch „junge Leute beiderlei Geschlechts im Alter um etwa 20 Jahre, welche untereinander in polnischer Sprache kommunizierten“, berichtete die Polizei. Mindestens zehn junge Deutsche wurden verletzt, ein 16jähriger mußte im Krankenhaus behandelt werden. Eine halbe Stunde sollen die Schläger auf Deutsche eingedroschen haben, ehe sich Widerstand formierte und die Angreifer über die Brücke flüchteten.

Die deutsche Polizei traf viel zu spät ein und verhielt sich passiv. Augenzeugen berichten, daß es ein leichtes gewesen wäre, wenigstens einige der Gewalttäter festzunehmen. Während die Görlitzer Polizei lobt, deutsche und polnische Beamte hätten während des Einsatzes gut zusammengearbeitet, leugnen die polnischen Ordnungshüter, daß es überhaupt eine Schlägerei gegeben habe. Man habe keine aggressiven Menschengruppen gesehen, teilt der zuständige Breslauer Polizeisprecher Pawel Petrykowski mit. Es sei unmöglich, daß die Polizei eine flüchtende Gruppe nicht gesehen habe. Überdies hätten die deutschen Kollegen keine konkreten Angaben zu der Gruppe geben können: „Das war wenig hilfreich.“

Auf der Internetseite der polnischen Nachbarstadt Zgorzelec hat man Verständnis für die Schläger. Das Ganze sei doch viel weniger schlimm, als der „Überfall der Deutschen auf Polen 1939“, heißt es in einem Eintrag. Andere Nutzer behaupten, „80 Deutsche haben angefangen, uns, etwa 20 Personen, mit Flaschen zu bewerfen“. Auf Görlitzer Internetseiten werden die Täter in der Kickboxer-Szene der Nachbarstadt vermutet. Es sei ja nichts Neues, daß polnische Jugendliche unter Einfluß von Alkohol und Drogen, aufgestachelt von radikalen Politikern, sich in Deutschland austoben, konstatiert ein Blogger. Und ein anderer glaubt, daß „in einigen polnischen Amtsstuben“ noch immer Frühsommer 1945 sei.

Auch in der Lokalpresse hat die Suche nach den Ursachen für die gewaltsamen Übergriffe begonnen. „Wo wäre Polen polnischer als dort, wo es an Deutschland grenzt“, wird ein Architekt aus Zgorzelec zitiert. Und ein Autor verweist auf die deutsch-polnische Geschichte und die Grenzverschiebung 1945. Anders als in anderen schlesischen Städten, wo Reiseführer gegenüber deutschen Gästen längst wieder die alten Namen benutzen, definiere sich die ehemalige Görlitzer Oststadt allein über ihren polnischen Namen Zgorzelec. Daß hier der westlichste Punkt Polen ist, daran halte man jenseits der Neiße fest, schreibt die Lokalzeitung: „Das ist ihr verbindendes Element.“ Kulturelle Zusammenarbeit und intensives menschliches Aufeinanderzugehen werde durch Vorurteile ausgebremst und beschränke sich auf die Kreise einer kleinen intellektuellen Elite.

Inzwischen ermittelt im Fall der Prügelattacke der sächsische Staatsschutz wegen Landfriedensbruch und schwerer Körperverletzung. Daß die Täter ermittelt werden, daran glaubt in Görlitz kaum jemand. Auch bei anderen gezielten Angriffen auf Deutsche verliefen die Ermittlungen im Sande.

Foto: Görlitzer Stadtbrücke über die Neiße: Dient das polnische Zgorzelec als Rückzugsraum für Verbrecher?

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