© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  07/11 11. Februar 2011

Tunnel statt Brücke
Verkehrspolitik: Dänisches Parlament votiert für Absenktunnel unter dem Fehmarnbelt / Deutschland bereitet Planfeststellungsverfahren vor
Hans-Joachim von Leesen

Jetzt ist es so gut wie sicher: Ab 2020 kann man per Auto oder Bahn in drei Stunden von Hamburg nach Kopenhagen und sieben Stunden von Hamburg nach Stockholm gelangen. 2014 sollen die Bauarbeiten von der schleswig-holsteinischen Insel Fehmarn wie auch von der dänischen Insel Lolland aus beginnen. Eine überwältigende Mehrheit des dänischen Parlaments (Folketing) hat vorige Woche entschieden, daß keine zweistöckige Brücke ( wie zunächst geplant, JF 31-32/09), sondern ein Absenktunnel gebaut wird.

Das bedeutet, daß 79 jeweils etwa 200 Meter lange Standardelemente aus Beton sowie zehn Spezialelemente an Land gefertigt, auf die Ostsee geschleppt und dort versenkt werden, um dann miteinander verbunden zu werden. Anschließend deckt man sie mit Sand und Gestein ab, so daß in wenigen Jahren wieder ein natürlicher Meeresboden entsteht. Dabei müssen etwa 15,5 Millionen Kubikmeter Sand ausgehoben werden. Die Bauzeit soll sechseinhalb Jahre betragen. Finanziert wird der Bau durch ein dänisches Konsortium, zu dem sich die dänischen Rentenkassen zusammengeschlossen haben. Sie versprechen sich ein gutes Geschäft, weil sie kalkulieren, die Ausgaben durch Mauteinnahmen innerhalb von dreißig Jahren wieder hereinzuholen.

Das „weltgrößte systemverändernde Megaprojekt“ werde wirtschaftliche, kulturelle und gesellschaftliche Veränderungen vor allem in Nordeuropa bewirken. Optimisten hoffen wie im Bereich der Öresund-Brücke (Kopenhagen/Malmö) nach dem Bau auf Wirtschaftswachstum nicht nur in Hamburg, sondern auch in Kiel, Lübeck, Rostock und Wismar. Schon während der Bauzeit würden in Deutschland und Dänemark Tausende von Arbeitsplätzen geschaffen.

Negative Folgen fürchten hingegen die Fehmaraner und Ostholsteiner. Dort dürfte der Fremdenverkehr durch die lange Bauzeit und nachher durch das gesteigerte Verkehrsaufkommen erheblich leiden. Immerhin muß man zugeben, daß der Tunnel umweltverträglicher ist als eine Brücke, die zudem die Schiffahrt erheblich beeinträchtigen würde. Dennoch haben die Proteste gegen das Bahnprojekt „Stuttgart 21“ auf die Führung der Planungsgesellschaft Femern A/S Eindruck gemacht. Daher bemüht sich die dänische Seite schon jetzt darum, die Öffentlichkeit einzubeziehen. Während der Bürgergespräche im Januar auf Lolland und Fehmarn zeigte sich, daß die Dänen viel weniger Bedenken äußerten als die Deutschen.

Während die dänische Seite die reinen Tunnelbaukosten allein aufbringt, muß Deutschland dafür sorgen, die Verkehrsanbindung auf seinem Gebiet sicherzustellen. Man rechnet mit insgesamt 840 bis 900 Millionen Euro für die Hinterlandanbindung, wovon 780 Millionen auf den Bahnausbau entfallen. Der Güterverkehr soll, statt wie bisher über Jütland und Schleswig-Holstein per Autobahn, dann den 160 Kilometer kürzeren Bahnweg durch den Fehmarnbelt-Tunnel nehmen.

Die zunächst erwartete Zahl von täglich 90 Güterzügen soll sich bis 2025 auf 150 Züge erhöhen – das wäre mit den bisherigen Streckenkapazitäten nicht zu bewältigen. Durchfinanziert sind diese Kosten noch nicht. Wenn das Folketing das Fehmarnbelt-Gesetz dann endgültig verabschiedet hat, muß Deutschland entsprechend dem Staatsvertrag seine Planfeststellungsverfahren in Gang setzen. Dann liegen die Bauunterlagen öffentlich aus, die Möglichkeiten für Einwände werden garantiert eifrig genutzt. Die Umweltverträglichkeitsprüfung läuft bereits.

Informationsseite zur Fehmarnbeltquerung  www.femern.de

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