© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  09/11 25. Februar 2011

Früh übt sich der Profi-Politiker
Integration I: In Berlin haben sich 40 Jugendliche zur „Jungen Islamkonferenz“ getroffen
Lion Edler

Der Islam in Deutschland ist jung. Laut einer Studie sind 42 Prozent der Moslems in Deutschland unter 25 Jahre alt. Was liegt da näher, als eine Junge Islamkonferenz ins Leben zu rufen, zumal die seit 2006 bestehende „erwachsene“ Deutsche Islam-Konferenz (DIK) bei vielen Muslimen unbekannt ist, wie der Geschäftsführer der Stiftung Mercator, Bernhard
Lorentz, beklagte. Er sei daher „begeistert“ von der Idee gewesen, gemeinsam mit der Berliner Humboldt-Universität eine Junge Islamkonferenz zu veranstalten, die die eigentliche Islamkonferenz in einem Planspiel simulieren soll.

Zu diesem Zweck wurden 40 Jugendliche zwischen 17 und 23 Jahren aus einem Kreis von etwa 200 Bewerbern ausgewählt. Es handelte sich sowohl um Zuwanderer als auch um Einheimische mit und ohne muslimischen Glauben. Unter den Teilnehmern war am vergangenen Wochenende in Berlin auch Serdar Bulat, 23 Jahre alter Student der Politikwissenschaft und Mitglied der Grünen Jugend. Er erhofft sich von der Jungen Islamkonferenz einen „Ideen- und Erfahrungsaustausch“ mit anderen jungen Muslimen – und mit nichtmuslimischen Deutschen, die dem Islam gegenüber „sehr affin“ eingestellt seien. Während seiner Vorstellung bei der Konferenz war es Bulat ein Bedürfnis, seine Dankbarkeit gegenüber Bundespräsident Christian Wulff zu bekunden, der im vergangenen Jahr am Tag der Deutschen Einheit gesagt hatte, der Islam gehöre zu Deutschland.

Die „Ranghöchste“ auf der Konferenz war jedoch die Frankfurterin Marett Katalin Klahn. Denn die 22 Jahre alte Tochter einer Ungarin und eines Deutschen übernahm die Rolle von Bundesinnenminister Thomas de Maizière. Klahn fühlt sich von der Debatte um Kopftücher „total“ genervt. Wer ein Kopftuchverbot durchsetzen wolle, der mache damit genau das, „was man eigentlich den muslimischen Männern vorwirft“, meint Klahn.

„Teil gesellschaftlicher Wirklichkeit“

Beim Blick auf die Kurzportraits der Teilnehmer, die auf der Konferenz präsentiert wurden, fällt eine gewisse politische Schlagseite auf: mindestens vier sind Mitglied der SPD oder der Jungsozialisten, drei weitere bei den Grünen, andere Parteien sind scheinbar nicht vertreten. Doch viele sind nicht nur in Parteien engagiert. Der 17jährige Abiturient Vincent Streichhahn etwa gründete an seiner Schule eine AG zu den Themen Rassismus und Rechtsradikalismus. Die Debatte nach dem Erscheinen von Thilo Sarrazins Buch „Deutschland schafft sich ab“ findet er „schamlos“. Bei der Jungen Islamkonferenz übernimmt er die Rolle von Armin Laschet (CDU), dem ehemaligen Integrationsminister von Nordrhein-Westfalen.

Mit der Konferenz möchte Stiftungs-geschäftsführer Bernhard Lorentz „Alltagsdiskussionen in den politischen Diskurs einbringen“ und jungen Menschen die Deutsche Islamkonferenz näherbringen. Lorentz findet, daß die Diskussion um Integration „eine abgehobene ist, die in dem berühmten Raumschiff Berlin geführt wird“. Kurz nach diesem Plädoyer gegen die Abgehobenheit spricht die ehemalige Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth (CDU) über Jürgen Habermas „Theorie des kommunikativen Handelns“ und über die Philosophie von Wilhelm von Humboldt. Einem jungen Mädchen, das für eine Schülerzeitung über die Veranstaltung berichten soll, fallen die Augen zu.

Nun steigt die Spannung, die Konferenz steht kurz vor der Eröffnung. Naika Foroutan, Sarrazin-Kritikerin und Projektleiterin der Jungen Islamkonferenz und eines von der Volkswagen-Stiftung unterstützten Forschungsprojekts „Hybride europäisch-muslimische Identitätsmodelle“ an der Humboldt-Universität, gibt noch einmal letzte Einführungen. Die Teilnehmer stünden für ein Deutschland, das „pluraler und vielfältiger“ sei als bei den Teilnehmern der „richtigen“ Islamkonferenz, sagt Foroutan.

Dann beginnt die Vorstellungsrunde der Konferenz, die ein Beitrag gegen Abgehobenheit und Realitätsferne sein soll. Doch die Jugendlichen, die hier geladen wurden, können schon reden wie Profi-Politiker. Der Abiturient Tommy Rudov, der den Soziologen Turgut Yüksel spielte, zeigte sich erfreut darüber, „daß wir heute über Institutionalisierung von Kommunikationsformen auf kommunaler Ebene sprechen“. Die 19 Jahre alte Abiturientin Liridona Halili erhoffte sich in der Rolle der Theologin Armina Omerika „zuerst eine Versachlichung der Debatte“ über den Islam in Deutschland. „Der Islam ist Teil der gesellschaftlichen Wirklichkeit“, ergänzt die fiktive Bundesforschungsministerin Annette Schavan. „Natürlich sind wir ein Einwanderungsland“, weiß auch der Darsteller von Armin Laschet. Till Becker schlug dagegen eher pathetische Töne an. „Religion steht für mich für Liebe und Frieden, deshalb möchte ich Brücken bauen“, sagte er in der Rolle eines Religionslehrers sagen.

Kritiker und Befürworter der Jungen Islamkonferenz dürften sich nach dieser Veranstaltung darüber einig sein, daß die Debatte über den Islam in Deutschland eine sehr abgehobene ist.

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