© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  09/11 25. Februar 2011

Ackerboden im Ausverkauf
Landwirtschaft: Globaler Kampf um Agrarflächen entbrannt / Internationale Investoren treiben die Preise
Harald Ströhlein

Die altbekannte volkswirtschaftliche Binsenweisheit, wonach Boden ein knappes Gut darstellt, ist aktueller als jemals zuvor. Wie derzeit Flächen weltweit die Besitzerhand wechseln, ist in der Geschichte der Menschheit einmalig. Zu den fleißigsten Landkäufern zählen insbesondere China, Japan, Saudi-Arabien und Südkorea, die zusammen bislang Flächen von über sieben Millionen Hektar weltweit erwarben bzw. noch erwerben wollen. In Afrika und Lateinamerika sind es nahezu 20 Millionen Hektar, die sich in der Hand fremder Investoren befindet, was einem Viertel der europäischen Agrarfläche entspricht.

Selbstredend auch, daß Boden auf dem europäischen Kontinent heiß begehrt ist, auch wenn es um vergleichsweise unbedeutende Flächen geht. Ob es nun etwa eine irische Vermögensverwaltung ist, die schottische Waldflächen an ausländische Investoren verschachert oder eine renommierte US-Universität, die nun 30.000 Hektar Wald in Rumänien ihr eigen nennen darf: Boden hat sich weltweit innerhalb kürzester Zeit zur begehrtesten Investitionsanlage gemausert, deren Wert scheinbar unaufhörlich steigt.

Warum das so ist, liegt auf der Hand: Immer mehr Menschen auf der Erde brauchen immer mehr zu Essen. Beispielsweise werden die schnell wachsenden Schwellenländer ihre Nahrungsmittelproduktion bis 2050 verdoppeln müssen. Indes ist die nutzbare Ackerfläche nicht beliebig erweiterbar. Unterstellt man der Weltbevölkerung nur eine unterste Wachstumsrate von 15 Prozent, werden im Jahre 2050 pro Kopf nur noch 1.700 Quadratmeter an Ackerfläche zur Verfügung stehen – über 2.300 Quadratmeter sind es heute.

Daß Staaten in puncto Nahrungsmittelproduktion auf eigenen Füßen stehen wollen, ist ein ureigenes Interesse. Eine möglichst ausgeprägte Autarkie wird auch bei der Rohstoffversorgung angestrebt. Der im wahrsten Sinne des Wortes bestehende Kampf um begehrte Rohstoffe – ob es sich dabei um die diversen Hauptenergiequellen oder um begrenzte Metallvorkommen handelt – ist in vollem Gange und politisches Kalkül: Ist ein Land nicht käuflich, wird es besetzt. Experten ordneten 14 der 40 unentbehrlichsten Rohstoffe bzw. Metalle der „Roten Gruppe“ zu. Das bedeutet, daß das Risiko einer mittelfristigen Verknappung dieser Vorkommen als besonders hoch eingestuft wird.

Nicht zuletzt wächst der Einfluß jener Agrarrohstoffe, die zunehmend die versiegenden Energieträger wie Öl oder Kohle ersetzen sollen. Aufgrund der von überbordenden Idealismus geprägten Zielsetzung müßte der Flächenbedarf für die Erzeugung von Bioenergien bis 2020 auf etwa 100 Millionen Hektar oder sechs Prozent der weltweiten Ackerfläche steigen. Ein weiterer, wesentlicher Grund ist – wie sollte es anders sein – der spekulative Einfluß.

Drohender Kollaps des US-Bodenmarktes?

Angesichts der permanent angespannten Situation in der globalen Finanzwelt lockt Agrarland mit mittlerweile attraktiven und vor allem sicheren Renditen bei geringen Kursschwankungen. Und Geld wird durch die krisenbedingt lockere Geldpolitik der Zentralbanken im Überfluß zur Verfügung gestellt. Es wandert nicht in den Konsum, sondern es inflationiert die Vermögenspreise. Statt in windige US-Immobilien, Staatsanleihen oder Derivate wandert das Geld nun in handfeste Anlagen: Rohstoffe, Edelmetalle – oder eben Agrarland.

Natürlich bleibt ein solch eigennütziges Treiben nicht ohne Folgen. Beispielsweise mehren sich in den USA die Stimmen derer, die vor einem drohenden Kollaps des US-Bodenmarktes warnen. Während seit der Jahrtausendwende die Bodenpreise inflationsbereinigt um ganze 58 Prozent gestiegen sind, könnten bei fallenden Agrarpreisen und steigenden Zinsen die Käufer ihre Kredite nicht mehr bedienen, was wiederum die finanzierenden Agrarbanken in arge Finanznöte bringen könnte.

Ein Zustand, der bereits vor knapp drei Jahrzehnten nordamerikanische Farmland-Besitzer bis ins Mark erschütterte. Des weiteren beeinflußt das steigende Preisniveau für Böden direkt die Pachtpreise und beflügelt in der Folge die Preise für die Agrarrohstoffe bzw. die Rohstoffbörsen. Der unmittelbare Zusammenhang zwischen Angebot und Nachfrage wird dadurch nennenswert ausgehebelt. Alleine die in jüngster Zeit auf dem Weltmarkt zu verzeichnenden Preissprünge bei Getreide, Reis oder Mais von mehreren 100 Prozent machen deutlich, wie launisch sich die Marktwirtschaft mittlerweile zeigen kann.

Zudem ist zu befürchten, daß unter möglichst effizienter Ausnutzung des Bodens und des eingesetzten Kapitals ein höchstmöglicher Ertrag nur über eine großdimensionierte Agrarindustrie erzielt werden kann – mit mehr oder minder markanter Belastung der Ökologie. Nicht zuletzt ist die in den Entwicklungsländern stattfindende Landenteignung zu erwähnen. Millionen von Kleinbauern wird sprichwörtlich der Boden unter den Füßen weggezogen, weil traditionelle Gewohnheitsrechte von Investoren nicht anerkannt werden. Und das Groteske an der Sache: Durch die Landenteignung und „Abschöpfung der Wertschöpfung“ außerhalb des Landes wird westliche Entwicklungshilfe dringender denn je vonnöten sein.

So ist es längstens an der Zeit, daß sich die G20-Staaten dieser brisanten Entwicklung annehmen und diesem Treiben beispielsweise über ein international agierendes Kartell ein Ende bereiten. Unabhängig davon sind die einzelnen Regierungen aufgerufen, nennenswerten Bodenkäufen ausländischer Spekulanten Einhalt zu gebieten. Die resolute Politik Neuseelands, nach der künftig bei Investitionen in landwirtschaftliche Flächen die wirtschaftlichen Interessen des eigenen Landes berücksichtigt werden sollen, könnte weltweit Schule machen.

 

Land Grabbing für Bio-Kraftstoffe

Als „Land Grabbing“ wird der wachsende Agrarlandaufkauf durch reiche Staaten oder milliardenschwere Finanzinvestoren bezeichnet. Die Käufer stammen meist aus arabischen Ölländern, Ostasien, Westeuropa und Nordamerika. Hauptziele sind wirtschaftlich schwache Länder in Afrika, Osteuropa und Asien. Neben Ackerboden und Weideflächen für die Nahrungsmittelgewinnung wird zunehmend auch Land für den Anbau von Energiepflanzen erworben. Aus Mais, Palmöl, Raps oder Zuckerrohr sollen künftig im großen Stil sogenannte Biokraftstoffe gewonnen werden. Bis 2020 müssen entsprechend der EU-Richtlinie 2009/28/EG zehn Prozent der für den Verkehr benötigten Energie aus sogenannten erneuerbaren Quellen stammen. Laut Angaben des Instituts für europäische Umweltpolitik (IEEP) müssen dafür auf bis zu 6,9 Millionen Hektar Land zusätzlich Biospritpflanzen angebaut werden (JF 51/10).

Die Studie „The Role of Bioenergy in the National Renewable Energy Action Plans“: www.ieep.eu

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