© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  09/11 25. Februar 2011

Auf Risiko des Steuerzahlers
Landesbanken: Angesichts der Zerschlagung der maroden WestLB stellt sich die Frage nach der Zukunft der öffentlichen Zentralinstitute
Karl Schneemann

Nach mehrwöchigen Ringen steht nun fest, daß eine Landesbankenlegende vor der Zerschlagung steht: Die Düsseldorfer WestLB, jahrelang das vor kreditwirtschaftlicher Omnipotenz strotzende Schlachtschiff Nordrhein-Westfalens und zeitweise das viertgrößte Geldinstitut Deutschlands, steht vor der Filetierung in drei Teilbanken: in eine „Bad Bank“, die der Abwicklung fauler Kredite und Wertpapierinvestments dient; in eine Geschäftsbank, in die jene Engagements transferiert werden, für die sich vornehmlich einschlägige Investmentfonds interessieren; und in eine sogenannte Verbundbank, mit der die Aufgaben einer Zentralbank für die NRW-Sparkassen gebündelt werden sollen.

Ein fauler Kompromiß, der für die Eigentümer der Bank – Land, Regionalverbände und Sparkassen – den finanziellen Super-GAU zunächst entschärft. Da die Träger der WestLB den politischen Flurschaden einer Komplettzerschlagung scheuten und die Folgen einer Insolvenz für den Haftungsverbund von Sparkassen und Landesbanken angesichts der ratingsensitiven Konsequenzen nicht ohne Risiko sind, gab man einer Abwicklung auf Raten den Vorzug. Am Ende wird der Steuerzahler für die Milliarden haften, die infolge Größenwahns und politischer Eitelkeiten in der Bad Bank verbleiben bzw. an „Abwicklungsaufwendungen“ zu schultern sind. Der staatliche Bankenrettungsfonds Soffin ist bereits mit drei Milliarden Euro bei der West LB engagiert.

Fragwürdiges Geschäftsmodell

Angesichts der Dimension des Gesamtschadens und der nach wie vor ungeklärten Zukunft der verbleibenden Landesbanken stellt sich die Frage, welche Rolle Landesbanken in unserer Marktwirtschaft eigentlich wahrnehmen und ob sich daraus eine Zukunftsberechtigung ableitet. Drei Funktionen sind hier zu nennen: die Sparkassenzentralbankfunktion (Girozentrale) für die beteiligten Sparkassen, die Staatsbankfunktion für den öffentlich-rechtlichen Träger und die Geschäftsbankfunktion, in der sich die jeweilige Landesbank auf den ersten Blick von keinem der anderen Wettbewerber unterscheidet. Die Ursachen für die strukturellen Probleme der Landesbanken resultieren vor allem aus ihrer Geschäftsbankfunktion. Da Landesbanken den Sparkassen in ihrem Bundesland keine Konkurrenz machen dürfen und hier lediglich zur Konsortialpartnerschaft bei Unternehmensfinanzierungen degradiert sind, müssen sie ihr Geschäftsmodell zwangsläufig auf überregionale Felder ausrichten.

Hier stehen sie im Wettbewerb mit globalen Geschäftsbanken, die ein wesentlich diversifizierteres Produktprofil aufweisen. Ein Wettbewerbsvorteil für die Landesbanken war aber bis vor einigen Jahren ihr „Triple-A-Rating“, das ihnen – dank der Haftungsabschirmung durch die Eigentümer – auf den Geld- und Kapitalmärkten gravierende Refinanzierungsvorteile bringt. Durch dieses Balance Sheet Lending waren die Landesbanken in der Lage, in Konkurrenz zu Großbanken Kommunalinvestitionen in den USA, Hotels in Asien oder Projekte in Südamerika zu finanzieren.

Die Eigentümer der Landesbanken hatten damit keine Probleme, zumal der vordergründige Erfolg ihrer Landesbank dazu beitrug, die Bank zum Vehikel der politischen Aufwertung des jeweiligen Ministerpräsidenten auf nationaler und internationaler Ebene zu instrumentalisieren. Auch ließ sich die Landesbank für die Umsetzung industriepolitischer Vorhaben nutzen. Erinnert sei dabei an die goldenen Zeiten der WestLB unter Johannes Rau oder die der BayernLB unter Max Streibl und Edmund Stoiber. Am Ende wurde großzügig mit politisch initiierten Fehlinvestitionen umgegangen, denn als Haftungspolster stand der Landeshaushalt fast unbegrenzt zur Verfügung, und die Amnesie der Wähler war virulent. Und nahm die Haftungsdimension eine kritische Größenordnung an (Bankgesellschaft Berlin), hatten die Landespolitiker auch keine Hemmungen, durch eine Anpassung der Unternehmensstrukturen potentielle Risiken zu sozialisieren.

Eine Zäsur dieses „Geschäftsmodells“ ergab sich für die Landesbanken erzwungenermaßen ab Ende der neunziger Jahre aus dem Streit mit der EU-Kommission über die Anrechnung strittiger Kernkapitalpositionen und die Gewährträgerhaftung. Am 17. Juli 2001 kam es zur Verständigung. Diese sah eine Modifizierung der Gewährträgerhaftung vor, bei der am Ende die Landesbanken haftungsrechtlich dem Wettbewerb gleichgestellt wurden. Kommt es zu einer Sanierung, sind Kapitalzuführungen seitens der Eigentümer gegenüber der EU-Kommission formell anzumelden und von Brüssel zu genehmigen.

Eine solche Notifizierung ist im Fall der SachsenLB, der BayernLB und der WestLB erfolgt. Um den Übergang der Landesbanken in diese neue Welt nicht zu abrupt zu gestalten, verständigte man sich hinsichtlich ihrer Refinanzierung auf eine Übergangsfrist („grandfathering“), die es den Instituten erlaubt, noch bis Ende 2015 von der abschmelzenden Gewährträgerhaftung zu profitieren. Diese Möglichkeit hätte man den Landesbanken kurioserweise besser nicht eingeräumt, denn dieses „grandfathering“ hat die Landesbanken mangels rentierlicher Geschäfte zu jenen Anlagespekulationen verleitet, die ursächlich für die US-Bankenkrise waren.

Da es, außer ihrer Wettbewerbsfunktion in der Mittelstandsfinanzierung, mittlerweile keine systemrelevante Bedeutung für einzelne Landesbanken mehr gibt, ist die Konsolidierung des Sektors dringend geboten. Doch wie könnte die Zukunft der Landesbanken- und Sparkassenlandschaft aussehen? Die Auswirkungen der Finanzkrise haben bereits erste Umstrukturierungen der Landesbankenlandschaft ausgelöst. Existierten vor der Krise noch zehn Landesbanken sind es inzwischen nur noch neun Institute.

Große Fusionslösungen schaffen neue Risiken

Als ein progressives Szenario wird oft die Fusionslösung genannt, die im Ergebnis zu zwei, drei überregionalen Sparkassenzentralinstituten führt. Doch ist dies eine tragfähige Lösung? Betriebswirtschaftlich weiß man, daß Fusionen nur dann von Vorteil sind, wenn für beide der Fusionspartner eine „Win-Win-Situation“ entsteht. Die Zusammenlegung von zwei, drei oder noch mehr Banken mit vergleichbaren strukturellen Problemen und ohne überzeugendes Geschäftsmodell mag zwar einerseits einen Kostenentlastungseffekt mit sich bringen, ein robustes rentierliches Geschäftsmodell entsteht dadurch noch lange nicht, da sich die Synergieeffekte lediglich auf Größenvorteile beziehen und gleichzeitig zu einer bloßen Addition der Klumpenrisiken führen.

Ein alternativer Ansatz wäre die Konzentration der Sparkassenorganisation auf die eigenen Strukturen. Erste Flurbereinigungen sind bereits geschaffen worden und im Fall der Deka-Bank, als zentrale Fonds-Gesellschaft, scheint man derzeit den Weg fortzusetzen. Hier hat man sich mit den hälftig beteiligten Landesbanken darauf verständigt, die jeweiligen Anteile zu übernehmen. Am Ende stünde somit die Deka-Bank als hundertprozentiges Sparkassen-Zentral­institut da – zunächst für das bundesweite Fondsgeschäft, aber wer weiß, ob über die hundertprozentige Beteiligung an der Landesbank Berlin (LBB) nicht im nächsten Schritt ein Sparkassen-Zentralinstitut mit Doppelsitz in Berlin und Frankfurt aus der Taufe gehoben wird. Auch für den Endkunden hätte ein solcher Schritt durchaus Charme.

Aber wo blieben bei diesem Szenario die Landesbanken? Die Antwort ist relativ einfach. Ist das Zentralinstitut geschaffen, könnten die beteiligten Sparkassenverbände ihre Anteile an der jeweiligen Landesbank entweder an die Länder oder an interessierte Dritte veräußern. Daß der deutsche Bankenmarkt für ausländische Investoren nach wie vor attraktiv ist, zeigt sich am Beispiel potentieller chinesischer Investoren für die HSH Nordbank. Am Ende dieses Prozesses entstünde einerseits ein Sparkassenzentralinstitut und andererseits diverse regionale Geschäftsbanken, die mit einem differenzierten, jedoch tragfähigen Geschäftsmodell den Bankenwettbewerb bereichern würden. Und einige Finanzminister könnten sich über unerhoffte Sanierungsbeiträge für ihre Landeshaushalte freuen.

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