© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  09/11 25. Februar 2011

Frisch gepresst

EU-Gedächtnis. An Baustellen verraten häufig Tafeln, daß hier „mit Mitteln der EU gefördert“ werde. Damit leisten auch diese Schilder ihren aparten Beitrag zur Formierung einer „transnationalen Erinnerungsgemeinschaft“, haben sie doch auch zwischen Arkona und Annaberg den Eindruck verfestigt, die „blühenden Landschaften“ hätte die liebe EU und nicht die Steuergroschen der Autochthonen finanziert. Einem ähnlichen Etikettenschwindel sind die Politologen des Bremer Projekts „Gedächtnis­orte einer multidemokratischen Gemeinschaft“ aufgesessen, da sie der EU-Kommission für ihren bis 2012 großzügig bewilligten Etat danken, der Forschungen zur mehr gewünschten denn empirisch belegbaren Erosion „nationaler Narrative und transnationaler Dynamiken“ speist. Um die nationale Identität primär in Osteuropa effizienter aufzubrechen, so der Tenor eines Sammelbandes, ist eine erhöhte Dosis „Vergangenheitsbewältigung“ anzuraten. Ohne sie werde etwa Rußland sich nicht „modernisieren“. Unverzichtbar sei auch die richtige Lösung von „Erinnerungskonflikten“. Etwa in Polen, wo endlich zu akzeptieren sei, daß Polen Juden gegenüber auch Täter waren. (wm)

Wolfgang Stephan Kissel, Ulrike Liebert (Hrsg.): Perspektiven einer europäischen Erinnerungsgemeinschaft. LIT Verlag, Münster 2010, broschiert, 245 Seiten, 19,90 Euro

 

Olof Palme. Außerhalb Schwedens würde sein Name heute wohl verblaßt sein, wäre da nicht sein Tod vom 28. Februar 1986, der neben dem Kennedy-Attentat zu den spektakulärsten politischen Morden des 20. Jahrhunderts zählt. Bis heute sind weder die Tat noch ihre Hintermänner aufgeklärt, die schlampige Ermittlungsarbeit der örtlichen Behörden rief sofort allerlei Verschwörungstheoretiker auf den Plan. Der schwedische Journalist Henrik Berggren hat jetzt diesem durch seine außenpolitischen Ambitionen weltweit bekannten Politiker eine umfangreiche Biographie gewidmet, die über das Attentat hinaus Interesse verdient. So steht der Sozialdemokrat aus großbürgerlichem Haus nicht nur in seiner neutralistischen Haltung zwischen Ost und West, sondern auch als „moderner“ Gesellschaftspolitiker (im Zweifel immer links) für einen Archetyp seiner Generation. Berggrens Bewunderung für dieses politische Inbild taucht dabei viele heute sichtbare Irrtümer Palmes in ein allzu mildes Licht. (bä)

Henrik Berggren: Olof Palme. Vor uns liegen wunderbare Tage. Btb Verlag, München 2010, gebunden, 718 Seiten, Abbildungen, 26,99 Euro

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