© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  09/11 25. Februar 2011

Haltungsnote
Der Grill-Killer
Tilmann Wiesner

Sommerliche Tiergartenidylle: Türkische Großfamilien packen ihre Picknickkörbe und schmoren direkt vor dem Amtssitz des deutschen Bundespräsidenten Pirzola, Köfte und Paprikaschoten auf einem Holzkohlegrill. In der Türkei, wo Grillen eine Art Volkssport ist, wäre dies vor dem Präsidentenpalast undenkbar. Das Freiluft-Grillen im öffentlichen Raum wurde in den letzten Jahren eher eingeschränkt, berichtete 2010 – reichlich erstaunt über die Berliner Verhältnisse – der Hürriyet-Korrespondent Celal Özcan in der Süddeutschen Zeitung. Vielleicht war es genau jener dezente anatolische Grillgeruch am Schloß Bellevue, der den Schloßherren Christian Wulff im letzten Jahr zu der luziden Zeitdiagnose – „Auch der Islam gehört mittlerweile zu Deutschland“ – inspiriert hat.

Geht es nach dem stellvertretenden Berliner Bezirksbürgermeister Carsten Spallek (CDU), dreht sich der Spieß mit Hammelfleisch bald nicht mehr im Tiergarten. Der Diplom-Kaufmann kämpft seit Jahren für ein Grillverbot im berühmtesten Stadtpark Berlins. Mit guten Argumenten: Das temporäre Grillverbot zur Fußballweltmeisterschaft 2010 habe dem Park gutgetan. Zudem koste der Abtransport von sechs Tonnen Müll pro Wochenende rund 8.000 Euro. Hinzu kommen Schäden durch Griller, die immer wieder Bäume und Sträucher ausreißen, Kuhlen buddeln und die Wiese mit heißen Kohlen verbrennen würden.

Kürzlich haben Spallek und seine Parteifreunde in der Bezirksverordnetenversammlung Mitte beantragt, zumindest für 2011 ein Grillverbot durchzusetzen. Spalleks Kollege, der Baustadtrat Ephraim Gothe (SPD), blockt. Für ihn ist das Grillen im Tiergarten ein Alleinstellungsmerkmal der Spreemetropole. Der Kulturkampf um den glühenden Rost dürfte also andauern.

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