© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  10/11 04. März 2011

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Stellvertreterkrieg auf Papier
Ronald Gläser

Im Kanzleramt „müffelt“ es nicht. Ein entsprechender Bericht der Bild-Zeitung wurde am Montag dementiert. Das Boulevardblatt hatte von Modergeruch durch Pfusch am Bau berichtet. Alles kalter Kaffee, sagt das Bundespresseamt.

Es sind diese kleinen Geschichten, die nicht nur politische Beobachter in der Hauptstadt mitunter den Kopf über die Bild schütteln lassen. Nicht jede Geschichte ist sauber recherchiert – und relevant schon gleich gar nicht. Trotzdem greift sie manchmal das auf, was die schweigende Mehrheit denkt. Auch die Nähe zu Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) hat der Millionenauflage der Bild nicht geschadet. Im Gegenteil: „Schlagzeilen mit Guttenberg verkaufen sich besser als Schlagzeilen über Thomas de Maizière “, meint der Politikberater Michael Spreng. Bild erhielt für ihre guttenbergfreundlichen Berichte Vorabinformationen aus erster Ministerhand, eine typische „Win-win-Situation“.

Erfolg schafft Neid. Anders läßt sich die aktuelle Kampagne des Spiegel kaum erklären. Das Magazin bläst in seiner aktuellen Titelgeschichte („Die Brandstifter“) zur Attacke. Spiegel gegen Bild – da verläuft jetzt eine Frontlinie. Der neue Zeitungskrieg in der Hauptstadt ist natürlich auch ein Stellvertreterkrieg der politischen Lager. Bild für die Regierung, Spiegel für die Opposition. Hier sind Konturen klarer erkennbar, als sie es zwischen den weichgespülten Parteien jemals waren seit dem Ende von Rot-Grün.

Das wirft der Spiegel dem Springer-Blatt vor: Erstens. Bild berichtet über das Privatleben von Prominenten (bahnbrechende neue Erkenntnis!). Außerdem spiele sie „die Rolle einer rechtpopulistischen Partei, die es in Deutschland noch nicht gibt“. Der Spiegel weiß aber auch ganz genau, daß Bild heute so, morgen so berichtet. Eine rote Linie ist nicht erkennbar.

Zweitens. Bild-Leser seien ältere Männer „mit eher schwacher Schulbildung“ und antieuropäischen Ressentiments. Komisch, wenige Seiten zuvor druckt das Magazin selbst ein antieuropäisches Manifest („Sanftes Monster Brüssel“) ab. Wie paßt das zusammen?

Drittens. Dann holt der Spiegel die Faschismuskeule hervor und behauptet, Bild mache Stimmung gegen Ausländer. Co-Autor Markus Feldenkirchen giftet zudem im ARD-Presseclub, Bild sei Guttenbergs „Schutzstaffel“, also seine SS. Mehr NS-Vorwurf geht nicht.

4. Im Interview läßt Bild-Chefredakteur Kai Diekmann den Spiegel auflaufen. Klarer Punktsieg für die Zeitung mit den großen Buchstaben.

Peinlich obendrauf: Das aktuelle Titelbild besteht aus einem Bild-Logo aus Streichhölzern. Diese Idee hat der Spiegel einem Künstler geklaut, der vor Jahren das gleiche Motiv entwickelt hat. Soviel zur Kompetenz in Sachen „Plagiate“. Fazit: Vor vierzig Jahren hätte der Spiegel mit so einer Titelgeschichte Aufmerksamkeit erregt. 2011 verpufft eine Wallraffsche Anti-Bild-Kampagne wirkungslos. Niemand springt auf den Zug auf. Kein Wunder, die Informationen waren älter als die Bild-Geschichte vom angeblicken Moder bei Merkel.

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