© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  10/11 04. März 2011

„Ein Unglück für Deutschland und Europa“
Euro-Krise I: Klage gegen dauerhaften Rettungsfonds EFSM angekündigt / Kritik am Bundesverfassungsgericht

Während man sich über Hartz IV und die Promotion von Karl-Theodor zu Guttenberg die Köpfe heiß redete, wurde fast unbemerkt die währungspolitische Souveränität Deutschlands in nichtöffentlichen Bundestagsfraktionssitzungen endgültig ad acta gelegt. Union und FDP verständigten sich vorige Woche in einem gemeinsamen Antrag darauf, der in Brüssel geplanten Einrichtung eines dauerhaften Euro-Rettungsschirms zuzustimmen. Dies widerspricht eklatant den bisherigen Beteuerungen von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), der behauptet hatte: „Die Rettungsschirme laufen aus – das haben wir klar vereinbart“.

Vor diesem Hintergrund haben die Professoren Wilhelm Hankel, Wilhelm Nölling, Karl Albrecht Schachtschneider, Dieter Spethmann und Joachim Starbatty angekündigt, nach der Griechenland-Hilfe und der Zweckgesellschaft EFSF (Europäische Finanzstabilisierungsfazilität, JF 48/10) nun auch gegen den dauerhaften Europäischen Finanzstabilisierungsmechanismus (EFSM) zu klagen. Sollten Bundestag und Bundesrat einer deutschen Beteiligung am EFSM zustimmen, werde man erneut das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) anrufen, erklärte der Staatsrechtler Schachtschneider vorige Woche auf einer Pressekonferenz in Berlin.

In dem – trotz heftiger Kritik einiger Unions- und FDP-Abgeordneter – angenommenen Antrag wird die Bundesregierung ermächtigt, einen Beschluß des EU-Rates vom 28. Oktober 2010 mitzutragen. Darin hatte man sich darauf verständigt, „einen auf Dauer angelegten Stabilitätsmechanismus der Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets“ einzurichten und die hierfür erforderliche EU-Vertragsänderung durchzuführen. Dafür muß Artikel 136 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) ergänzt werden. Dies soll „im vereinfachten Änderungsverfahren“ nach dem Artikel 48 Abs. 6 des EU-Vertrages erfolgen.

Was dies bedeutet, verriet jetzt Wirtschaftsminister Rainer Brüderle: „Man kann präzise umreißen, wie die Haftung rein theoretisch im schlimmsten Fall wäre“, erklärte der FDP-Vize in der FAZ. „Das wären rund 174 Milliarden Euro – 22,4 Milliarden für die Griechenland-Hilfe, rund 119 Milliarden für den EFSF und rund 11,4 Milliarden für den EFSM.“ Der implizite Anteil an den Käufen der Europäischen Zentralbank (EZB) betrage 21 Milliarden Euro. Er gehe aber „nicht davon aus, daß es so weit kommt“, meinte Brüderle.

Die durch die Klagen gegen die Euro-Einführung bekannten Wissenschaftler teilen den Optimismus der Bundesregierung nicht – und die von Brüderle quasi bestätigten Zahlen sind wirklich beängstigend. Denn mit dem EFSM soll der zunächst bis 2013 befristete Euro-Rettungsfonds EFSM zu einer Dauereinrichtung mit einem Kapital von 500 Milliarden Euro werden. Ausgehend von den Brüderle-Zahlen stünde Deutschland dann mit fast zwei Drittel der Mittel eines Bundeshaushaltes zur vermeintlichen Stabilisierung des Euro in der Pflicht.

„Was bleibt denn von unserem Parlament als Interessenwahrer der Deutschen übrig, wenn es nicht einmal entscheiden kann, wie der deutsche Haushalt aussehen kann?“ fragte der SPD-Politiker Nölling mit Blick auf die drohende „EU-Wirtschaftsregierung“. Am Ende dieser Entwicklung werde es für exportierende deutsche Unternehmen Quoten geben, warnte der Ökonom Starbatty. „Starke Staaten nähern sich den schwachen an, nicht umgekehrt“, so der Chef der Aktionsgemeinschaft Soziale Marktwirtschaft (ASM). Daß im Bundestag „Blankoschecks“ ausgestellt werden, die in Höhe und Dauer unbegrenzt sein sollen, unfaßbar: „Wie können Parlamentarier zulassen, daß ihre Kernkompetenz dadurch ausgehöhlt wird, daß jedes Land seine Haushaltsplanungen vorweg nach Brüssel schicken muß, um sie genehmigt zu bekommen?“, so Nölling. Wir erlebten nun ein „Schneeballsystem, dessen finanzielle Risiken und Auswirkungen für Deutschland unabsehbar sind“. Die Euro-Währungsunion in ihrer heutigen Form sei gescheitert: „Sie ist ein Unglück für Deutschland und Europa“, so der langjährige Präsident der Landeszentralbank in Hamburg.

Es gebe für EFSF und EFSM weder eine Vertrags- oder eine Verfassungsgrundlage noch eine ökonomische Begründung, heißt es in der Erklärung der Kläger. „Die jetzt für die Schließung der Staatshaushalt- und Leistungsbilanzlücken hochverschuldeter und anhaltend defizitärer Euroländer versprochenen Transfer-Milliarden sind weder am Kapitalmarkt ohne gravierende Störungen aufzubringen, noch in den Staatshaushalten der Geberländer unterzubringen“, warnen die fünf Professoren. „Die Maßnahmen zur vermeintlichen Verhinderung einer Euro-Katastrophe überschreiten die Grenzen von eines Staatenbundes zu einem nicht legitimierten Bundesstaat endgültig.“ Der Währungsexperte Hankel meinte: „Die Staatsschulden bleiben, sie wechseln nur den Geber.“ Das entlaste nicht die Schuldenstaaten, sondern nur ihre Kreditgeber: „Das ist ein Programm zur Sanierung einer verzockten Finanzwirtschaft.“

Der Zweite Senat des Verfassungsgerichts hat die beiden ersten Klagen zwar angenommen, sich jedoch bislang nicht geäußert. Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat sowie Bundesbank und EZB hätten aber bereits eine Stellungnahme in Karlsruhe abgegeben, sagte Schachtschneider. „Das Gericht hätte längst die Verhandlung über die Verfassungsbeschwerden terminieren müssen, um uns Bürger gegen die gigantischen finanziellen Belastungen und die weitere Entdemokratisierung durch die vertragsbrüchige und verfassungswidrige Euro-Rettungspolitik zu schützen.“ Dennoch rechnet der Staatsrechtler zumindest mit einem Teilerfolg. Das Gericht werde sagen: „Diese Maßnahmen waren vertrags- und verfassungswidrig, aber wir heben sie nicht auf, weil das zu ganz erheblichen Verwerfungen führen würde.“

Würde Karlsruhe die deutsche Beteiligung an den Euro-Rettungsfonds untersagen, wäre der Milliardentransfer in die Euro-Defizitstaaten faktisch unterbrochen. „In dem Moment, in dem der Hauptzahler Deutschland blockiert wird, oder droht, blockiert zu werden, sieht es mit den Kredit-Konditionen der Pleitestaaten anders aus“, argumentierte Hankel. Selbst wenn ihre Klagen keinen Erfolg haben, werde die unausweichliche Staatspleite von Griechenland und Irland dann neue Fakten schaffen.

Die gesamte Pressekonferenz der Euro-Kläger ist im Internet abrufbar: www.pressekonferenz.tv

Foto: Die Euro-Staaten fallen wie Dominosteine: Ein Schneeballsystem, dessen finanzielle Risiken für Deutschland unabsehbar sind

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