© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  10/11 04. März 2011

Im Bann überheblicher Selbstgewißheit
Besuch bei Bahners: Der „FAZ“-Mann stellt sein Anti-Sarrazin-Buch vor – zwei Hausnummern neben Merkel
Christian Dorn

Daß auch im politischen Geistesleben eine Gravitationskraft besteht, kann aus der Buchvorstellung von FAZ-Feuilletonchef Patrick Bahners geschlossen werden. Dieser stellte seine polemische Streitschrift „Die Panikmacher“ im Magnus-Haus der Deutschen Physikalischen Gesellschaft vor – zwei Hausnummern neben dem Wohnsitz von Regierungschefin Angela Merkel. Diese hatte Sarrazins Buch noch vor dessen Erscheinen als „nicht hilfreich“ abgekanzelt. Das größtenteils links-liberale Publikum der Buchpräsentation goutierte diese Einstellung, wie anschließende Gespräche zeigten. Symptomatisch hierfür war der mit Migrationshintergrund ausgestattete Mitarbeiter eines großen deutschen Verlagshauses, demzufolge Merkels Feststellung doch ein positives und starkes Signal sei, demonstriere es doch politische Handlungsfähigkeit. Höhere Dialektik zeigte auch jene Dame, welche die nach „Friedensgebeten“ erfolgte Ausladung Sarrazins durch die Kirche in Halberstadt als überzeugendes Zeichen für eine funktionierende Streitkultur interpretierte!

Zur Interpretation einladend schien indes die Physiognomie des Buchautors, als dieser Platz nahm: verklemmte Körperhaltung, verbiesterter Blick, herunterhängende Mundwinkel. Gemessen an diesem Bild schien die Bemerkung des Historikers und Sarrazin-Verteidigers Hans-Ulrich Wehler ins Schwarze zu treffen, als er mit Blick auf Bahners sagte: „Ich empfinde es als Panikmache, wenn man Necla Kelek und die anderen als Panikmacher bezeichnet.“

Angesichts des radikalen Islams, den er als die „Pest des 21. Jahrhunderts“ betrachte, sei Sarrazin „ein leidenschaftlicher Reformsozialdemokrat“. Modische Begriffe wie „Integrationsarbeit“ bezeichnete Wehler als „Wischiwaschi“. Realistisch könnte die Forderung an die muslimischen Zuwanderer nur „Assimilation“ lauten. Er widersprach damit Gustav Seibt, dem Feuilleton-Redakteur der Süddeutschen Zeitung (die augenscheinlich mit einem halben Dutzend Mitarbeiter erschienen war). Dieser hatte sich gar eine „starke muslimische Partei“ in Deutschland gewünscht, die als Bindeglied für eben jene „Integrationsarbeit“ dienen könnte. Hinderlich dafür sei etwa Sarrazins Buchveröffentlichung, die Bahners als „politische Tat“ verstanden wissen will. Als er ihm die Vorabveröffentlichung in den ironisch als „Aufklärungsmedien“ titulierten Magazinen Spiegel und Stern vorhält, lacht das Publikum plötzlich auf – prototypisch für die ebenso künstliche wie überhebliche Selbstgewißheit eines Publikums, das die unpassende Wirklichkeit lieber weglacht.

Foto: „Die Panikmacher“-Streitschrift: Ob der Publizist Henryk M. Broder, Ex-Banker Thilo Sarrazin oder die Sozialwissenschaftlerin Necla Kelek –  alle sind laut Bahners scharfer Abrechnung einem Alarmismus und Verschwörungswahn verfallen

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