© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  10/11 04. März 2011

„Sie war schlimmer als der Teufel“
Ein Film über Kirsten Heisig läßt neben Freunden auch frühere Feinde zu Wort kommen / Selbstmordthese nicht angezweifelt
Ronald Gläser

Der Tod der Jugendrichterin Kirsten Heisig beschäftigt die Öffentlichkeit, seit ihr Leichnam in einem Berliner Wald aufgefunden worden ist. Nicola Graef und Güner Balci, die Produzentinnen des Films „Tod einer Richterin“, haben keinen Zweifel daran, daß es Suizid war.

Aber die Gerüchte kommen nicht zur Ruhe. Bei der Pressevorführung ihres Films drehen sich die Fragen der Journalisten vorwiegend darum, ob nicht doch Mißtrauen gegenüber dieser offiziellen Version angebracht sei. Die Zweifel sind groß, der Argwohn mit Händen greifbar. Er tritt zutage in Fragen und Antworten wie: „Welche Krankheit hatte sie denn?“ („Wissen wir nicht.“) oder: „Haben Sie denn mit dem Ex-Mann oder den Kindern gesprochen?“ („Nein.“)

Im Grunde läßt sich Balci und Graef noch nicht mal ein Vorwurf machen. Die Produzentinnen verstoßen mit ihren Filmen auch gegen die politische Korrektheit, wenn es sein muß. Das haben sie 2010 mit ihrer Dokumentation „Kampf ums Klassenzimmer“ über Ausländergewalt an deutschen Schulen bewiesen.

Der WDR würde jedoch einen TV-Beitrag über Heisig, der auf einer Mordtheorie basiert, sicherlich nicht ausstrahlen. Das macht die stellvertretende Leiterin Inland beim WDR, Ulrike Schweitzer, klar: „Es war auch von der Redaktion her wichtig, daß niemand Zweifel äußert.“

Bei der Konferenz stellt sich dann auch noch heraus, daß die Autorinnen sich mit den genauen Todesumständen gar nicht befaßt haben: Sie wiederholen auf Nachfrage, daß sie den Obduktionsbericht besäßen. Später das Dementi: Das ihnen vorliegende Schriftstück ist nur eine Antwort der Staatsanwaltschaft an den Münchner Journalisten Gerhard Wisnewski, der mehrere Gerichte bemühen mußte, bis er diese magere Auskunft erhielt. Der echte Obduktionsbericht ist nach wie vor geheim. Frau Balci selbst klagt über mangelnde Kooperation der Behörden: „Die Polizei war monatelang nicht in der Lage, unser Projekt zu unterstützen.“ Kein Interview, keine Auskunft.

Darunter leidet das Porträt. Dabei gibt es genug unumstrittene Dinge über die Verstorbene zu erzählen: Der Film zeichnet ihren Weg zur bekanntesten Jugendrichterin Deutschlands nach, schildert ihr „Neuköllner Modell“. Er läßt Freund und Feind zu Wort kommen. Zum Beispiel Gibran, einen kriminellen Schläger, der von Heisig in Arrest gesteckt worden ist. „Sie war schlimmer als der Teufel“, sagt der Gangster (Schußwaffenmißbrauch, Erpressung, Körperverletzung). Heinz Buschkowsky berichtet über die lebensfrohe Frau: „Sie war bis zum Schluß in Hochstimmung.“

Balci und Graef sind sich selbst auch nicht so ganz sicher, wer Heisig eigentlich war. Auf der Konferenz wird die Frage gestellt, ob sie den Gründen für ihren Selbstmord nähergekommen wären oder nicht? „Beides“, antworten sie unisono. Zweifel bleiben also. Auch nach diesem Film.

„Tod einer Richterin – Auf den Spuren von Kirsten Heisig“ wird am Mittwoch, den 9. März, um 22.45 in der ARD ausgestrahlt.

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