© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  11/11 11. März 2011

Tausende feierten den Mörder als Helden
Pakistan: Nach der Ermordung des Ministers für Minderheiten blicken die knapp drei Millionen Christen des Landes in eine ungewisse Zukunft
Friedrich-Thorsten Müller

In Pakistan wird der Druck auf die christliche Minderheit immer größer. Mit Shahbaz Bhatti, dem pakistanischen Minister für Minderheiten fiel letzte Woche innerhalb von nur zwei Monaten der zweite prominente Kritiker des „Blasphemiegesetzes“ einem Attentat zum Opfer. Bhatti war der einzige christliche Minister im Kabinett Gilani. Im Januar wurde bereits Salman Taseer, der Gouverneur der Provinz Punjab, von seinem Leibwächter erschossen. Er hatte sich für die erste auf der Grundlage des pakistanischen Blasphemiegesetzes zum Tode verurteilte Christin, Asia Bibi, eingesetzt und damit den Haß der radikalislamischen Taliban auf sich gezogen.

Das Blasphemiegesetz wurde lange vor der Staatsgründung Pakistans durch die britischen Kolonialherren auf dem gesamten Territorium Britisch-Indiens eingeführt, ursprünglich mit dem Ziel, gegenseitige Beleidigungen zwischen Angehörigen der verschiedenen Religionsgruppen zu verhindern. Mitte der achtziger Jahre verschärfte der pakistanische Militärdiktator Zia ul-Haq das Gesetz. Inzwischen findet es nur noch bei tatsächlichen oder vermeintlichen Schmähungen des Islam Anwendung.

Bisher sind etwa tausend Menschen aufgrund dieses Gesetzes verurteilt worden. Mit einem Anteil von etwa zwölf Prozent an den Verurteilten sind die pakistanischen Christen (etwa 2,3 Prozent der Bevölkerung) weit überdurchschnittlich von Anklagen betroffen.

Wie auch der ermordete Minister Bhatti kritisiert hatte, ist das größte Problem am pakistanischen Blasphemiegesetz, daß es mißbräuchlich zur Austragung privater Streitigkeiten verwendet wird. So konnte zum Beispiel der verurteilten Christin Asia Bibi, einer einfachen Frau vom Lande, nicht einmal zweifelsfrei nachgewiesen werden, daß sie Jesus bei einem Streit mit muslimischen Kolleginnen über den Propheten Mohammed gestellt hatte.

 Der pakistanischen Regierung kommt in der aktuellen Diskussion über das Gesetz gleichwohl nur noch die Rolle einer Getriebenen zu. Längst bestimmen die islamischen Extremisten, obwohl sie bei Wahlen bisher eine untergeordnete Rolle spielen, die politische Agenda des Landes. Als im Januar Gouverneur Taseer ermordet wurde, feierten Tausende den Mörder als Helden, boten Anwälte diesem eine kostenlose Verteidigung an. Meinungsumfragen ergaben darüber hinaus Mehrheiten für einen Freispruch des Attentäters. Darüber hinaus fanden wenige Tage nach dem Mord Demonstrationen mit 40.000 Teilnehmern für die Beibehaltung des Blasphemiegesetzes statt.

 Auch islamistische Attentate gegen die muslimische Bevölkerung werden in dem von Inflation und Armut gezeichneten Land offenbar hingenommen. Erst letzte Woche wieder wurde im nordpakistanischen Marsan eine Mädchenschule mit Handgranaten attackiert, wobei 35 Mädchen verletzt wurden. Einen Tag nach der Ermordung Bhattis sterben darüber hinaus bei zwei Angriffen auf Polizisten 15 Menschen. Kaum ein Pakistani kritisiert solche Vorfälle noch offen.

Bei den in der sozialen Hierarchie ganz unten angesiedelten knapp drei Millionen Christen in Pakistan wächst inzwischen die Verzweiflung. Niemand traut sich, den mörderischen Islamismus anzuprangern, trotzdem versammelt man sich weinend und gezeichnet von Angst zu Hunderten, zum Beispiel vor der Fatima-Kirche in Islamabad. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß die Welt neben dem Exodus der irakischen Christen in den nächsten Jahren auch den der pakistanischen erleben wird.

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