© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  11/11 11. März 2011

Kriminelle Manager und unfähige Politiker
Wirtschaftsliteratur: Der Schweizer Finanzexperte Leo Müller analysiert das deutsche Versagen in der Finanzkrise / Sanierung zu Lasten der Steuerzahler
Marco Meng

Leo Müller macht in seinem Buch „Bankräuber“ das, was die Politik hierzulande bislang versäumte: die Finanzkrise zu analysieren und Konsequenzen daraus zu ziehen. „In der Geschichte der Weltfinanzkrise gibt es einen deutschen Sonderfall. Zu dem gehört: das Versagen der Politiker“, schreibt der Schweizer Wirtschaftsjournalist. Im Untersuchungsausschuß zur Pleitebank HRE seien „die Schönrechner durch Schönredner abgelöst“ worden, für Müller „der Tiefpunkt des deutschen Parlamentarismus“. Der Vergleich mit anderen Ländern lege offen, wie schlimm es um das „Restbankensystem Deutschland“ bestellt ist.

Daß acht deutsche Großbanken – davon sechs im Staatsbesitz – zum Schutz des „Systems“ mit dreistelligen Milliardenbeträgen zu Lasten des Steuerzahlers saniert werden müssen, sei „nicht vorhersehbar“ gewesen, so wird dem Bürger vorgegaukelt. Müller zeigt aber in seinem Buch, in welchem er seine jahrelangen Recherchen über den Finanzplatz Deutschland zusammenfaßt, daß das nicht stimmt. Im Gegenteil: Die Regierungen von Schröder und Merkel haben mit der Deregulierung der Finanzwirtschaft die gigantischen Fehlspekulationen überhaupt erst ermöglicht.

Mit einer überwältigenden Fülle von Belegen führt Müller darin den Nachweis, daß der deutsche Anteil an der globalen Finanzkrise enorm groß ist. Schon bei einem Geheimtreffen im Berliner Wirtschaftsministerium im Februar 2003 hatten mehrere Großbanken „notleidende Kredite“ von bis zu 100 Milliarden Euro in ihren Büchern eingestanden. In großem Umfang faßten sie die Kredite zu Paketen zusammen und verbuchten diese „Verbriefungen“ in Conduits-Zweckgesellschaften, die sie in Steueroasen wie Irland oder Jersey anlegten. Es wurden damit Schattenbanken kreiert – de facto handelte es sich also um eine großangelegte Bilanzmanipulation. Doch Politiker und Finanzaufseher feierten das als „Innovation“.

Bis 2009 stieg so allein bei den Landesbanken (JF 9/11) das Volumen der Problemkredite auf ungeheuerliche 355 Milliarden Euro. Am Ende haftete etwa die sächsische Landesbank mit gerade mal 1,6 Milliarden Euro Eigenkapital für Risiken in Höhe von 43 Milliarden Euro. Der damalige Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) erklärte im Herbst 2008, das deutsche Bankensystem sei robust – kurz danach begannen Krisengespräche, die zur Notverstaatlichung der HRE führten. Und die kostet den deutschen Steuerzahler seither jeden Tag zehn Millionen Euro. Das nüchterne Fazit: Deutsche Bankmanager haben unverantwortliche Risiken verschwiegen, die Bankenaufsicht BaFin und die Bundesbank wollten davon nichts wissen, und die Politik hat die dazu nötigen laschen Rahmenbedingungen durchgesetzt.

Geradezu erschütternd liest man in diesem „Finanzkrimi“, wie „die Finanzpolitiker in Bund und Ländern beim großen Raubzug der Banker Schmiere standen“. So hätten die riskanten Milliardenwetten nach EU-Recht eigentlich schon ab 2005 offengelegt werden müssen, doch wohl wissend um die versteckten Risiken verschleppten die Finanzminister die Umsetzung der Bilanzvorschriften noch bis zum Mai 2009. Müller, auch Autor für das Schweizer Wirtschaftsmagazin Bilanz und Dozent für Aufdeckung von Wirtschaftskriminalität an der Hochschule Luzern stellt Deutschland bei der Krisenbewältigung kein gutes Zeugnis aus: Bei der Forderung nach einer starken Eigenkapitalbasis sei Deutschland international ein Bremser. Länder wie die Schweiz seien hier viel weiter. Die Schweizer Banken zählten inzwischen zu den bestkapitalisierten Instituten der Welt, während Deutschland heute mit die größten Bad Banks der Welt hat, wofür am Ende der Steuerzahler geradestehen müsse.

Leo Müller: Bankräuber. Wie kriminelle Manager und unfähige Politiker uns in den Ruin treiben. Econ Verlag, Berlin 2010, gebunden, 384 Seiten, 19,95 Euro.

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