© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  11/11 11. März 2011

Im Bann von Staatszerfall und Bürgerkrieg
Afrika: Auch südlich des Maghreb steht die Macht despotischer Herrscher auf tönernen Füßen
Joachim Feyerabend

Der Schwarze Kontinent steht vor einer dramatischen Neuordnung. Seit der Unabhängigkeit vom kolonialistischen Joch vor fünfzig Jahren hat sich trotz aller hoffnungsfrohen Prognosen die erwartete wirtschaftliche Prosperität nicht eingestellt. Korruption der Regierenden, Despoten – genannt sei hier nur allein Ugandas Präsident Yoweri Museveni, der sein Land seit 25 Jahren mit harter Hand regiert –, die ihr jeweiliges Land ausplündern, bestimmten den Lauf der Geschichte und kennzeichnen die Fluchtwege nach Europa. Auf der Strecke sind dabei die Ärmsten geblieben. Hunger und Krankheit regieren noch immer in weiten Teilen des Kontinents, religiöse Grabenkämpfe treiben Spaltungen voran, forderten Zehntausende von Toten und bremsen selbst erfolgversprechende Ökonomien. Die revolutionären Umwälzungen in Nordafrika verschärfen die Situation dramatisch und führen zu neuen Flüchtlingsströmen Richtung Europa.

Der Prozeß der Spaltung in wenig homogenen Staaten mit unterschiedlicher Stammesbevölkerung und religiösen Unvereinbarkeiten begann mit der Abtrennung Eritreas von Äthiopien im Jahr 1993. Nun steht nach der Volksabstimmung vom 9. Januar die Trennung des Südsudan vom Norden an, die nicht nur eine Trennlinie zwischen radikalisierten Muslimen und schwarzen Christen zieht, sondern auch eine Neuorientierung der Ökonomie fordert. Der Süden ist reich an Erdöl und plant, via Hafen Lamu in Kenia mit einer neuen Pipeline das flüssige schwarze Gold anstatt im Roten Meer im Indischen Ozean zu verladen. Und hier liegen bereits die Chinesen, die Hauptabnehmer des Öls, auf der Lauer. Dies aus Angst vor einer Störung ihrer reibungslosen Versorgung.  

Alle diese Aspekte zielen auf einen dritten Prozeß, der im Westen Afrikas – im großen Staat Nigeria – heranreift. Auch hier drängt der christlich-animistische Süden auf mehr Autonomie gegenüber dem radikalen arabisch-islamistischen Norden. Der Sudan mit seiner Volksabstimmung und einer überwältigenden Mehrheit für die Trennung vom Norden kann hier durchaus als Präzedenzfall gesehen werden, zumal die Revolutionen im Norden des Kontinents, in Libyen, Tunesien und Ägypten sowie immer wieder Massendemonstrationen in Algerien, Jordanien und Jemen solche Bestrebungen anfeuern. Nigeria ist der bevölkerungsreichste Staat des Kontinents mit außerordentlich hohen Ölvorkommen  und bis in den Golf von Guinea. Ein Zerbrechen des bereits fragilen Gebildes, in dem es immer wieder zu genozidähnlichen Übergriffen auf Christen kommt, dürfte für ganz Westafrika dramatische Folgen haben.

In Simbabwe, wo die Schreckensherrschaft Robert Mugabes vom Status einer südostafrikanischen Schweiz geradewegs ins Armenhaus des Kontinents geführt hat, endet 2011 das Mandat der Regierung der nationalen Einheit. Der heute 86jährige Despot klammert sich, ähnlich wie Libyens Muammar al-Gaddafi, mit Gewalt an die Macht. Keine gute Zeit steht dem krisengeschüttelten Staat und den wenigen verbliebenen weißen Farmern bevor, deren Ländereien sich Mugabe und seine Sippe konsequent unter den Nagel reißen, ebenso wie sie mit Blutdiamanten ihre Waffenkäufe finanzieren.

Auch in Libyen droht für eine Zeit nach Gaddafi die Spaltung des Landes in einen West- und einen Ostteil, wie sie vor der Zeit von Gaddafis Vorgänger König Idris der Fall war. Nicht genug, das einstige Musterland Elfenbeinküste zerfällt in einen von Laurent Gbagbo kontrollierten Süden und einen von seinem Gegenspieler Alassane Ouattara dominierten Norden. Gbagbo weigert sich beharrlich, seine Wahlniederlage vom November 2010 zu akzeptieren. Die Folge: Es tobt ein blutiger Bürgerkrieg, Zehntausende sind auf der Flucht. Die Wirtschaft des Landes steht still. Und auch im großen Kongo in der Mitte des rohstoffreichen Kontinents droht Ungemach. Auch die Befriedung Ruandas steht noch auf wackligen Füssen. Der ehemalige enge Kreis um den jetzigen, vom Westen hofierten Präsidenten Kagame wirft ihm vor, autoritär und korrupt das Land auf einen Punkt hinzusteuern, der Parallelen zum Völkermord von 1994 mit seinen Millionen Opfern zeige. In einem sechzig Seiten umfassenden Papier rufen die ehemaligen Kumpane dazu auf, aus moralischem Pflichtgefühl die Regierung zu stürzen. 

Die Bewegung zur Demokratisierung in Afrika erleidet einen Rückschlag nach dem anderen, die mißglückte Wahl an der Elfenbeinküste hat dies wieder einmal gezeigt. Da nützt es wenig, wenn Europa auf Erfolge in den Steppenstaaten Botswana und Mali, auf das kräftig mit westlichen Geldern unterstützte Ghana und die stabile Inselrepublik Mauritius hinweist. In diesen Ländern konzentrieren sich gerade einmal drei Prozent der afrikanischen Bevölkerung.

Auch Kenia ist längst nicht beruhigt, seitdem Mwai Kibaki seine Wahlschlappe nicht akzeptieren wollte und zum Sieger erklärt wurde. In diesem ostafrikanischen Staat, wie auch in Simbabwe und anderen Ländern, ist Wahlbetrug an der Tagesordnung (selbst von längst Verstorbenen tauchen Stimmzettel auf), betrachten die jeweiligen Staatschefs ihre Position in der Regel als reine Einnahmequelle für die herrschende Schicht, von wirklichem Demokratieverständnis keine Rede.

Eine geradezu unverfrorene Selbstbedienungsmentalität der Eliten gibt den Ton an und hat beispielsweise an der Elfenbeinküste dazu geführt, daß die Wirtschaft im vergangenen Jahrzehnt um die Hälfte schrumpfte.

In Nigeria versickern die Milliardenerlöse aus dem Ölgeschäft in den Taschen der Mächtigen, werden die Pipelines von Banditen angezapft und verbrennt Erdgas in großem Maßstab ungenutzt als Gasfackel. Berstende Ölleitungen und schlampiger Umgang mit der Technik verschmutzen die Flüsse und Küstengewässer. Und die Welt schaut – ähnlich wie in Nordafrika – zu, denn Amerikaner wie Chinesen brauchen die Reserven des Landes für ihre eigene Entwicklung.

 

Migrationsrouten aus Afrika nach Europa

US-Außenministerin Hillary Clinton brachte  Anfang März die Probleme auf den Punkt: „Eine unserer größten Sorgen ist, daß Libyen im Chaos versinkt und zu einem gigantischen Somalia wird.“ In Somalia herrscht seit 1991 ein blutiger Bürgerkrieg zwischen Clans und islamistischen Rebellengruppen. Zehntausende sind seit Jahren auf der Flucht gen Norden. Flüchtlingspolitisch ähnlich brisant ist die Lage in Eritrea, wo die alles bestimmende marxistische Volksfront für Demokratie und Gerechtigkeit Freiheits- und Menschenrechte mit Füßen tritt. Doch Eritrea und Somalia bilden nur die Spitze der Fluchtstaaten. Migrationsbewegungen sind seit Jahren auch aus dem Sudan, Ghana, Nigeria, Niger, dem Tschad und Äthiopien zu verzeichnen.

Foto: Flucht unter UN-Schutz in Abidjan (Elfenbeinküste): Der Konflikt zwischen dem Ex-Präsidenten Gbagbo und Wahlsieger Ouattara droht sich zu einem Bürgerkrieg zu entwickeln

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