© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  11/11 11. März 2011

CD: Hans Pfitzner
Melancholie als Antrieb
Sebastian Hennig

Nach einer Gesamtaufnahme der Klavierlieder legt CPO nun eine Einspielung der Orchesterlieder von Hans Pfitzner vor. Diese Aufnahme der Nordwestdeutschen Philharmonie unter der Leitung des niederländischen Dirigenten Otto Tausk und mit dem Bariton Hans Christoph Begemann dokumentiert ein besonderes Erlebnis künstlerischer Initiation: Die Musik eroberte sich die Herzen der Musiker und Hörer zurück aufgrund der schlichten Tatsache ihres Erklingens.

Das hört sich überaus banal an, ist aber im Falle Hans Pfitzners von gravierender Bedeutung. Eine theoretische Projektion der Person des Komponisten stellte sich lange Zeit als Aufführungshindernis, zuletzt nur noch als begleitende Propaganda, vor das Werk. Es gab wohl immer Dirigenten, die sich für das Werk einsetzten. Doch seit einigen Jahren ist die Kunde von dessen Qualität fast einstimmig bei einer jüngeren Musiker-Generation angekommen. Darunter so verschiedene Persönlichkeiten wie Christian Thielemann, Simone Young und Ingo Metzmacher.

Auch der 40jährige Otto Tausk zeigte sich von dem hohen künstlerischen Rang dieser Musik tief beeindruckt. Er berichtete, wie die Erarbeitung dieses Repertoires für die Orchestermusiker zu einem vitalisierenden Schock führte. Diese Musik ist keine Jugendstil-Artistik. Sie bedient sich gleichwohl raffinierter Wirkungen, um die Bedeutung der Verse zu erschließen und zu verstärken. So wurde die Einspielung des elegischen „An die Mark“ nach den Worten Ilse von Stachs für alle Beteiligten zu einem ergreifenden Ereignis. Unausweichlichkeit und tapfere Annahme des Verhängnisses am Beispiel einer Landschaft verkündet die Vertonung der Verse: „Da sitzt die Schwermut schon am Waldesrand und schreibt geheime Zeichen in den Sand. Kein Frühlingssturm wird ihre Schrift verwehn. (…) Dies Land, da Wunsch und Hoffnung selig sind. Und doch in ihrem rätselvollen Wesen von stiller Trauer niemals zu erlösen. Dies Land ist meine Heimat und ich bin sein Kind.“

Bei Pfitzner führt die Melancholie nie zur Selbstaufgabe, sie ist gleichsam so etwas wie ein geheimnisvoller, leiser, stetiger Antrieb seiner Kunst. Charakteristisch ist es, wie er für den Verlust und das Zur-Neige-Gehen Klänge erfindet, die frei sind sowohl von Larmoyanz wie von Nihilismus. Und die heiteren Stücke wie „Die Heinzelmännchen“ nach August von Kopisch gleiten nie ins grobschlächtig Burleske ab.

Auch „Die zwei deutschen Gesänge“, die der Komponist demonstrativ dem Großadmiral Alfred von Tirpitz zueignete, propagieren keinen plumpen Hurra-Patriotismus. Viel zu viel Nachdenklichkeit und Ergebenheit verströmt diese Musik, als daß sie zu politischer Propaganda nutzbar wäre.

Nach Pfitzners eigenem Bekunden vollzog sich in der Abfolge der deutschen Musik mit Carl Maria von Weber das zarte Morgenrot, mit Richard Wagner die gleißende Mittagssonne und er, Pfitzner, ist für die Reize der Dämmerung zuständig. Diese Lieder künden sowohl für seine musikdramatische Meisterschaft („Der Trompeter“ und „Herr Oluf“) als auch für seine lyrische Ausdruckskraft („An den Mond“). Deutlich wie selten zeigt sich hier die Versöhnung des Geistes seiner zwei großen Vorgänger Schumann und Wagner, die er in einer „Sternenfreundschaft“ verbunden dachte.

Hans Pfitzner, Orchesterlieder Classic Production Osnabrück  www.cpo.de

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