© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  12/11 18. März 2011

Grundbesitzer dringend gesucht
Brandenburg: Noch immer sucht die Landesregierung die Eigentümer von rund 1.000 Grundstücken aus der Zeit der „Bodenreform“
Klaus Peter Krause

Brandenburg ist auf der Suche nach Landbesitzern, die von ihrem Glück noch gar nichts wissen. Denn noch immer sind nicht alle Erben von sogenanntem Bodenreformland gefunden. Jetzt will Brandenburgs Finanzminister Helmuth Markov (Linkspartei) diese mit Hilfe der Amtsblätter von sieben Gemeinden (Löwenberger Land, Neuenhagen, Neupetershain, Prötzel, Jacobsdorf, Kolkwitz und Drebkau) ausfindig machen. Dabei geht es nicht um Kleinigkeiten, sondern um rund tausend Grundstücke. Zwar ist der vorangegangene Aufruf vom November 2010 in Regionalzeitungen, im Amtsblatt Werder/Havel und im Bundesanzeiger nach Markovs Angaben erfolgreich gewesen, hat aber die Lücke noch nicht vollends geschlossen.

Diese ungewöhnliche Suche nach Grundbesitzern erinnert an gleich vier schwere politische Rechtsverstöße, aber auch an höchstrichterliche Fehlentscheidungen in den Jahren zwischen 1945 und 2007. Der erste Verstoß waren die Menschenrechtsverbrechen in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) 1945 bis 1949 gegen alle Landwirte mit hundert Hektar und mehr. Diese Landwirte waren damals als Opfer des kommunistischen Klassenkampfes schlimmster politischer Verfolgung ausgesetzt, die auch zur entschädigungslosen Enteignung all ihrer Habe führte. Das auf diese Weise geraubte Land wurde zu einem Teil für die damalige „demokratische Bodenreform“ verwendet und Landarbeitern („Neusiedlern“) und Kriegsvertriebenen aus dem deutschen Osten („Umsiedlern“) zugeteilt.

Den zweiten Rechtsverstoß beging die Bundesregierung unter Bundeskanzler Helmut Kohl 1990 während und nach der deutschen Wiedervereinigung, als sie sich weigerte, den SBZ-Opfern und ihren Familien das geraubte Land zurückzugeben, sondern für sich behielt, um es fiskalisch nutzbar zu machen. Höchstrichterliche Entscheidungen deckten diesen „zweiten“ Raub. Nicht anders verfuhr die politische Führung der Bundesrepublik mit den in der SBZ-Zeit ebenfalls geraubten Vermögenswerten von Industriellen, kleinen, mittleren und großen Unternehmen sowie Handwerkern und anderen Gewerbetreibenden. Auch sie, von den Kommunisten als „besitzende Klasse“ verfolgt, wurden vom deutschen Rechtsstaat abermals um ihr enteignetes Vermögen gebracht. Sie alle heißen seitdem nur noch „Alteigentümer“.

Der dritte Rechtsverstoß geschah 1992 durch den Bundestag gegenüber einstigen DDR-Familien, die Bodenreformland als Eigentum besaßen. Die jeweils sieben bis neun Hektar Land aus der „Bodenreform“ hatten die Landarbeiter und Vertriebenen als Existenzgrundlage zum Eigentum erhalten. In der späteren DDR mußten sie es zwar in die Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) einbringen (Zwangskollektivierung), waren zwar nicht mehr im Besitz des Landes, aber weiterhin dessen Eigentümer.

Diese Bodenreformbauern, durchweg inzwischen gestorben, haben das Land noch zu DDR-Zeiten an ihre Nachkommen vererbt. Zwar unterlag das Bodenreformland etlichen Beschränkungen und war daher kein vollwertiges Eigentum, aber es ist immer voll vererblich gewesen. Doch noch in den letzten Monaten ihres Bestehens hatte die DDR mit Wirkung vom 16. März 1990 sämtliche Beschränkungen aufgehoben und den Eigentümern damit zu vollwertigem Eigentum verholfen, bevor sie dann sechs Monate später unterging.

Knapp zwei Jahre später jedoch, mit Wirkung vom 14. Juli 1992, beschloß der Bundestag gesetzliche Regelungen, wonach ein großer Teil der Erben ihr Bodenreformland an den Fiskus des Landes, in dem sich das Agrarland jeweils befand, herausgeben mußte – ebenso alle etwaigen Pachteinnahmen oder, wenn die Erben das Land veräußert hatten, den Verkaufserlös. Das tatsächliche Ausmaß des fiskalischen Beutezugs wird auf bis zu 70.000 Betroffene geschätzt. Die Verbitterung der Opfer über diesen Eigentumsentzug war groß; so hatten sie sich den Rechtsstaat nicht vorgestellt.

Den vierten Rechtsverstoß haben die neuen Bundesländer begangen. Es gelang ihnen nämlich nicht immer, die Erben, denen sie die Grundstücke wieder wegnehmen wollten, rechtzeitig ausfindig zu machen. Denn das mußte vor jenem 3. Oktober 2000 geschehen sein. Die Frist hatte den Sinn, Rechtsfrieden herzustellen. Da die Länder sahen, daß sie es bis dahin nicht immer schaffen würden, alle Erben zu finden, verfielen sie darauf,  sich zum gesetzlichen Vertreter dieser Erben bestellen zu lassen. In dieser Vertretereigenschaft übertrugen sie die Grundstücke kurzerhand an sich selbst und ließen im Grundbuch als Eigentümer sich eintragen. Aber zwei Brüder hatten geklagt, und der Bundesgerichtshof verwarf diese Praxis als mißbräuchlich und sittenwidrig und den Eigentumsentzug als nichtig. Daher mußten und müssen die fünf Länder dieses Beutegut an die Erben wieder zurückgeben.

Wenn Brandenburg nun noch immer nach Bodenreformland-Erben sucht, dann ist allerdings nur ein kleiner Kreis von Erben gemeint. Darauf hatte der Brandenburgische Landesbetrieb für Liegenschaften und Bauen (BLB) bei seinem Aufruf im November 2010 ausdrücklich hingewiesen: Das Land suche nur solche Eigentümer und Erben von Bodenreformgrundstücken, deren Land unberechtigterweise mittels Vertreterbestellung im Grundbuch eingetragen worden sei. Alle übrigen seien nicht gemeint. Die staatliche, fiskalisch motivierte Rechtswidrigkeit gegenüber den meisten Bodenreformland-Erben bleibt also bestehen. Und die an den „Alteigentümern“ begangene setzen Regierung, Parlament und Rechtsprechung immer noch fort.

Der Umgang des seit 1990 gesamtdeutschen Staates mit einstigen DDR-Bürgern und deren geerbtem Bodenreformland ist ebenso rechtswidrig wie sein Umgang mit denen, denen dieses Land 1945 bis 1949 völker- und menschenrechtswidrig weggenommen worden ist, also den „Alteigentümern“. Denn nach wirklich rechtsstaatlichen Maßstäben steht das Bodenreformland weder den Erben noch dem Fiskus zu, sondern den ursprünglichen Eigentümern – die aber meist aus menschlicher Rücksichtnahme auf die einstigen DDR-Bürger zum Verzicht auf die Rückforderung bereit waren. Nur der Staat als Fiskus hatte diese Anstandshemmung und rechtsstaatliche Gesinnung nicht.

Weitere Informationen für Betroffene im Internet  www.mdf.brandenburg.de

Foto: Denkmal für die „Bodenreform“ in Uckerland-Wolfshagen in Brandenburg: Politische Verfolgung

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