© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  12/11 18. März 2011

Ein Hoffnungsträger wird demaskiert
Die Journalisten Eckart Lohse und Markus Wehner haben eine beachtenswerte Biographie Karl-Theodor zu Guttenbergs vorgelegt
Dirk Wolff-Simon

In der deutschen Medienlandschaft und in den Internet-Foren schlagen die Wogen der Emotionen über Karl-Theodor zu Guttenberg mit unverminderter Wucht hoch, und man könnte es angesichts des vorliegenden Informationsstandes eigentlich für unwahrscheinlich halten, daß nach den wochenlangen fein sezierten Betrachtungen innerhalb der Medienlandschaft eine weitere Biographie über diesen Politiker ernsthaftes Interesse wecken würde.

Doch weit gefehlt! Zwar erfolgte die Drucklegung der Biographie bereits im Januar 2011 und konnte somit die aktuelle Entwicklung um die nachträglich für Dissertation von zu Guttenberg nicht berücksichtigen, für das Psychogramm seiner Person ist dies jedoch keineswegs von Nachteil. Die Aktualität haben die beiden Autoren übrigens aufgeholt. Die dritte Auflage ist bereits in Vorbereitung und wird noch bis zum 20. März „mit weiteren Aktualisierungen“ und einem größeren Umfang von 32 Seiten erscheinen, kündigte Verleger Hans-Peter Übleis im Börsenblatt (Wochenmagazin für den Deutschen Buchhandel, 10/2011) an. „Stoff zur Fortschreibung des Werkes hat schon die Staatsanwaltschaft Hof geliefert“, höhnt das Börsenblatt.

Das Buch hingegen ist keine Hetzschrift, wie selbst Guttenberg-Fans in einschlägigen Foren eingestehen. Vielmehr stellt die seit einigen Tagen vorliegende Guttenberg-Biographie der beiden Redakteure der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung Eckart Lohse und Markus Wehner eine sachliche und inhaltliche Bereicherung in der nach wie vor aufgeheizten Stimmung zur Plagiatsaffäre um den ehemaligen Verteidigungsminister dar. Ja, es mag sogar von Vorteil sein, daß die jüngsten Vorgänge im Buch keine Aufnahme finden konnten, denn dadurch konzentriert sich der Fokus auf die Person des Protagonisten und seine bisherigen politischen Leistungen. Die Autoren, die Guttenberg über zwei Jahre lang begleitet haben, beleuchten zunächst den familiären Hintergrund von Karl Theodor Maria Nikolaus Johann Jacob Philipp Franz Joseph Sylvester Freiherr von und zu Guttenberg und nehmen den Leser mit auf einer tour d’horizon der familiären Verflechtungen des Hauses zu Guttenberg. Dabei unterliegen sie keinesfalls der Versuchung, einen Adelsalmanach zu schreiben.

So erfährt man beispielsweise, daß die Familien Guttenberg und Stauffenberg nicht nur ideell durch den Widerstand gegen Hitler miteinander verbunden waren, sondern daß ihre Verbundenheit qua Heirat bereits weit vor der Zeit des Nationalsozialismus zurückreichte. Wie in anderen Teilen des bayerischen Adels war es dabei selbstverständlich Usus, „standesgemäß“ zu heiraten. Daß solche „Arrangements“ nicht immer glücklich verlaufen, zeigt sich am Beispiel der Eltern von Karl-Theodor zu Guttenberg.

Durch die sorgfältige Illustrierung seiner Jugend, seiner Vorliebe für die alten Sprachen, aber auch seiner früh entwickelten Qualitäten in Rhetorik und gerade auch im „persönlichen Marketing“, ergibt sich für den Leser dabei ein plausibles Gesamtbild eines Mannes, dessen Persönlichkeitsentwicklung einerseits durch ein gesellschaftliches und familiäres Ambiente geprägt ist, in dem Standesbewußtsein und die moralische Handlungsverpflichtung gegenüber der Gesellschaft als tragende Säulen, als inhärente Verpflichtung „des Standes“ gelten. Andererseits vermag es zu Guttenberg durch sein impulsives Naturell und seinen eher durchschnittlichen intellektuellen Fähigkeiten die in ihn gesetzten Ansprüche als „Teil der gesellschaftlichen Elite“ nur in Teilen gerecht zu werden.

Für den Leser drängt sich hierbei die Frage auf, wie glaubwürdig und berechenbar zu Guttenberg einzuordnen ist. Anschaulich beschreiben die Autoren hierzu im zweiten Teil des Buches, daß sich bereits in der Opel-Krise 2009 (Guttenberg war damals Bundeswirtschaftsminister) die Grenzen der intellektuellen Leistungsfähigkeit einer sprunghaften und unkalkulierbaren Person, ja eines Blenders, abzeichneten.

Ein Eindruck, der sich später im Fall „Quelle“, oder als Verteidigungsminister in der „Kunduz-Affäre“, den Vorgängen um die Gorch Fock und der überhasteten und wie sich jetzt herausstellt unrechtgemäßen Suspendierung des Kommandanten Kapitän zur See Norbert Schatz und letztendlich in der Plagiatsaffäre noch wesentlich stärker herausstellt. Zu Guttenberg sei ein Markenträger seiner selbst, ein Meister der Selbstinszenierung, ein politischer Luftikus, werteorientiert und einem Moralkodex verhaftet, der sich zudem von einer wesentlich konziser und konsequenter definierenden bürgerlichen Gesellschaft in fast prosaischer Weise abhebt. 

Die rasante Entwicklung dieses Politikers erklärt sich nicht nur aus den von ihm selbst gepflegten, bisweilen demutsvoll penetrierten Attributen und der Attitüde des adeligen Erlösers, der von der fränkischen Burg herabsteigt, um das Land zu retten. Das Phänomen dieses Mannes, das sich als „Volksadel mit Glamour-Faktor“ benennen läßt, konnte nur auf dem Nährboden eines gesellschaftlichen Biotops gedeihen, auf dem sich inzwischen breite Frustration, Fatalismus und Distanz zur Politik breitgemacht haben.

Der fast irrationale Hype um die Person zu Guttenberg ist nicht nur Ausdruck des gestörten Wahrnehmungsempfindens einer zunehmend manipulierbareren Gesellschaft gegenüber kometenhaft aufsteigenden Hoffnungsträgern, sondern verdeutlicht auch die Armut an Originalität und intellektuellem Reichtum in der Politik. 

Den Autoren ist es gelungen, das „Phänomen zu Guttenberg“, die zuweilen penetrante Markenpflege durch Teile der Medien und die Rolle, die beide Ehepartner in der gezielten Hintergrundregie dabei wechselseitig spielen, ohne hämischen Unterton verständlich und plausibel aufzuzeigen. Lohse und Wehner haben dabei auf eine Vielzahl von Quellen und Beobachtungen zurückgegriffen. Beide Autoren legen mit ihrer sorgfältig recherchierten Arbeit die Biographie eines ungewöhnlichen deutschen Nachwuchspolitikers vor, bei der, angesichts der aktuellen Entwicklung, am Ende wesentliche Fragen unbeantwortet bleiben. Aber das schmälert den Wert dieses Buches in keiner Weise.

Eckart Lohse, Markus Wehner: Guttenberg Biographie. Droemer Verlag, München 2011, gebunden, 432 Seiten,        19,99 Euro

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