© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  12/11 18. März 2011

Aus der Rolle gefallen
Die Schöne und das Biest: Natasha Walter und Bascha Mika analysieren, warum Frauen so wenig feministischen Normen genügen
Ellen Kositza

Eine geometrische Grafik, orange und pink auf weiß in geometrischer Gestaltung auf dem Titel: Das Buch der ehemaligen taz-Chefredakteurin Bascha Mika sieht nicht nur so aus, als sei es ein putziges Fundstück aus den siebziger Jahren, es liest sich ebenso. Einer Agenturleistung oder dem Gewicht des Autorennamens dürfte es seinen Presserummel zu verdanken haben, denn sein inhaltliches Gewicht ist dürftig.

Eine Provokation? Jedenfalls keine gekonnte, kein kunstgerechtes Gefecht mit dem Florett, sondern ein Hieb mit dem Vorschlaghammer. Alles, was hier vorgebracht wird, hatten wir schon in der Dabatte um Eva Herman dutzendfach gelesen, allein: So viel Häme war selten – gegen Mütter und gegen die von der Autorin noch stärker gescholtene Spezies der „Gattinnen“. Mikas „Unbehagen“, ja „Fassungslosigkeit“ und „Zorn“ richtet sich gegen all jene klugen und gut ausgebildeten Frauen, die sich von ihren Karriereplänen verabschiedet haben, um ein „klassisch weibliches Lebensprogramm“ zu wählen, also: diejenigen, die nach der Geburt eines Kindes mehrere Jahre zu Hause verbringen.

Daß die meisten dieser Frauen sich gut in diese „Rolle“ fügen und reihum auch noch bekunden, zufrieden zu sein, stellt für Mika den Gipfel des Selbstbetrugs dar. Solcherart Unterstellungen durchziehen das Buch: Die Behauptung, zu Hause mit dem Kind glücklich zu sein, sei eine perfide „Verleugnungsstrategie“, das nach „außen getragene Selbstbewußtsein“ dieser Mütter eine „Farce“, ihre innere Verzweiflung „würden sie selbstverständlich nie zugeben“.

Später im Buch wechselt Mika unversehens ihre Angriffsstrategie. Aus den heimlich leidenden Frauen, die unter der „Schande“ der ungerechten Aufteilung der haushälterischen und betreuenden Aufgaben still sich beugen, werden nun die faulen Café-Tanten, die in den Zentren der Großstädte ihre Kinder „demonstrativ ausführen“, sich bequemerweise von ihren Männern „fremdfinanzieren“ lassen und somit eine „parasitäre“ Existenz pflegten – ohne „Lust auf Leistung“. Sie alle stellen zugleich einen Verrat an der Bewegung dar, für deren Dynamik doch sie, Mika höchstpersönlich, stehe.

Die Hauptursache für ausbleibende Frauenberufskarrieren sieht die Autorin im individuellen Versagen der jungen Mütter, aber auch gesellschaftlich liege alles im argen. „All‘ diese Mädchen“ (!)“seien mit „der Sehnsucht nach Mutterschaft geimpft“(!) worden, weshalb sie unverschämterweise „wenn sie an ihre Zukunft denken“, den „Nachwuchs gleich mitdenken“. Diese kaum zu bremsende Mutterschaftssehnsucht der Hochqualifizierten nun ist definitiv ein Trend, den nur diese Autorin zu sehen in der Lage ist. 

In einer Sprache, die aufgrund ihrer Nomenklatur (Unterdrückung! Unterwerfung! etc.) und ihres zackig-verkürzten Duktus („Als Frau geprügelt, als Mutter vergöttert.“) der Ansprache einer agitatorischen Funktionärin gleicht, erscheinen Mikas verzweifelte Weckrufe als Nachhall aus längst vergangenen Zeiten. In ihrem Deutschland herrsche angeblich „das Dogma, daß Kinder 24 Stunden am Rockzipfel der Mutter hängen müssen“ und herrschen Männer, die den „Einsatz eines Staubsaugers nicht mit ihrer Würde vereinbaren können“.

Ein einziges Mal weicht Mika von ihrem kollektiv-populistischen Wir-Modus ab, nämlich als sie erwähnt, daß sie selbst schon mit 15 wußte, daß sie nie Kinder haben wolle. Vorsorglich (und argumentfrei) weist sie mögliche Kritik zurück, ob eine kinderlose Frau über Lebenspläne von Müttern urteilen dürfe: Selbstverständlich nehme sie sich das Recht! Daß ihre Schrift damit so glaubwürdig ist wie der Karriereplaner einer Vollzeithausfrau, steht auf einem anderen Blatt. Den bösen misogynen Spruch: „Ein Mann – ein Wort, eine Frau – ein Wörterbuch“ bestätigt Mika im übrigen. Auf ihren mageren Thesen kaut sie so lange und gepolstert durch eine Unzahl an anonymen „Fallbeispielen“ herum, daß es selbst die geduldigste Leserin ermüden wird.     

Was Mikas Tiraden um so pikanter erscheinen läßt, ist die Tatsache, daß sie 1998 eine äußerst kritische Biographie über Alice Schwarzer veröffentlicht hatte, in der sie Deutschlands Vorzeigefeministin vorwarf, selbst frauenfeindlich zu sein und ihr eine Abwehr gegen das eigene Geschlecht unterstellte. Dies freilich traf einen wahren Kern. Die Schwarzer schoß aus vollen Rohren zurück. Womöglich ist die maßlose Kritik an Lebensentwürfen, die vom selbstgewählten abweichen, auch altersbedingt. Mika, Jahrgang 1954, ist heute im selben Alter wie Schwarzer damals; mag sein, daß ab einem gewissen Alter gerade bei Frauen ohne biologische Nachkommenschaft der Ärger auf die jüngere Generation wächst, die von der eigenen Lehre abweicht.

 Möge Natasha Walter einst vor dem Gram Mikas bewahrt bleiben! Die britische Feministin nämlich, in ihrer Heimat einigermaßen bekannt, ist Jahrgang 1968 und widmet sich in ihrem jüngsten Buch „Living Dolls“ der Frage, „warum Frauen heute lieber schön als schlau sein wollen“. Weit interessanter als die zweite Hälfte des Buches, der sich unter der Überschrift „Der neue Determinismus“ etwas langatmig liest und eine Menge Studien (über Gene und Hormone und die von Walter als gewichtiger eingeschätzte Bedeutung der Sozialisation) referiert, ist das erste Kapitel, das sich in Reportagen und Analysen mit einem „neuen Sexismus“ befaßt – selbst, wenn man über das dem Opferdiskurs entlehnte Wort stolpern mag; es paßt auch nicht recht zu Walters behutsam tastender Vorgehensweise. Reportage, Referat und Analyse wechseln einander ab.

Die Autorin (daß sie ganz hübsch ist, sei erwähnt, um sie von dem Verdacht des Ressentiments zu befreien) hat Frauen getroffen, die nichts sehnlicher erstreben, als für ein Herrenmagazin zu posieren, professionelle Stripperinnen, Pornodarstellerinnen und Prostituierte. Sie – mitnichten durchweg Unterschichtmädchen – verrichten ihre Arbeit aus eigenem Antrieb; sie halten dergleichen teils gar für eine emanzipierte Kunstform und einen Ausdruck ihrer Selbstverwirklichung.

Wie kommt es, daß ein Drittel der jungen Britinnen das vielfach operierte Busenwunder Katie Price als ihr Vorbild nennen? Daß immer mehr Halbwüchsige davon träumen, sich „die Brüste machen zu lassen“, daß die Nachfrage nach Labioplastiken – kosmetischen Schamlippenverkleinerungen – rasant zugenommen hat? Woher der Boom des Playboyhäschens als Accessoire junger Schülerinnen? Woher die hervorragenden Einschaltquoten einer Fernsehserie über das „spannende“ Leben einer Prostituierten und die Verkaufserfolge solcher Bücher wie „Fucking Berlin – Studentin und Teilzeit-Hure?“ Was bedeutet es, daß die „leicht nuttig“, vor allem aber kreuzdumm aussehenden Bratz-Puppen nicht nur in Großbritannien Barbie bereits den Rang abgelaufen haben?

Walter ist klug genug, die Schuld an dieser hypersexualisierten und auf ein Gefallenwollen fixierten Entwicklung nicht den Herrschaftsmechanismen eines patriarchalen Systems zuzuschreiben. Frauen wollen für ihren Körper bewundert werden, die meisten Männer haben dagegen nichts einzuwenden. Was solcher Entblößungsdruck mit dem sich bewußt bedeckt haltenden Rest der Mädchen macht, ist eine andere Frage. Natasha Walter kann sich einer Antwort nur nähern.

Bascha Mika: Die Feigheit der Frauen. Rollenfallen und Geiselmentalität. Eine Streitschrift wider den Selbstbetrug. C. Bertelsmann Verlag, München 2011, gebunden, 256 Seiten, 14,99 Euro

Natasha Walter:        Living Dolls. Warum junge Frauen heute lieber schön als schlau sein wollen. Krüger Verlag, Frankfurt am Main 2011, gebunden, 330 Seiten, 19,95 Euro

Foto: Mut zum Nuttigsein – „Bratz“-Puppen machen Barbie Konkurrenz: Herrschaftsmechanismen des patriarchalen Systems sind daran schuldlos

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen