© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  13/11 25. März 2011

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Geheime Geldhähne der Fraktionen
Matthias Bäkermann

Ja, er könne der Versuchung wohl auch nicht widerstehen, besäße er im Keller einen stets sprudelnden Geldhahn zur geheimen Selbstbedienung. Ein augenzwinkerndes Verständnis hat der Staatsrechtler Hans Herbert von Arnim also für die vielen Volksvertreter in Bund und Ländern, die sich neben ihren Diäten und den diversen Nebeneinkünften immer kräftigere „Schlücke aus der Pulle“ auf Steuerzahlers Kosten genehmigen, von denen letztere kaum Notiz nehmen.

Die Rede ist von den „Zuschüssen“, die sich die Fraktionen im Bundestag oder in den Länderparlamenten selbst genehmigen und die in ihrem Ausmaß von 200 Millionen Euro mittlerweile die staatliche Parteienfinanzierung von 133 Millionen Euro weit übersteigen.

Daß von Arnim diese sich von „zunächst einer läßlichen Praxis zum eklatanten Mißbrauch“ auswachsende Politik jedoch keineswegs unterbewertet, darauf läßt allein der Titel „Der Verfassungsbruch“ des aktuellen Buches schließen, das der emeritierte Rechtswissenschaftler am Montag in Berlin vorstellte. Immerhin kann sich der bekannte Parteienkritiker bei seiner Attacke auf „verbotene Extra-Diäten und die gefräßigen Fraktionen“ auf das Bundesverfassungsgericht berufen, das diese ohne jede Kontrolle ausufernde Methode untersagt hatte. Erlaubt seien Zusatzgehälter nur für Parlamentspräsidenten, Vizepräsidenten oder Fraktionsvorsitzende. Doch niemand ist da, der den überparteilich abgesegneten Mißbräuchen Einhalt gebieten könnte, selbst die nur sporadisch und zaghaft Kritik äußernden Rechnungshöfe haben letztlich keine Exekutivgewalt. Immerhin lasse im Bundestag, wo allein von Union und SPD zehn Parlamentarische Geschäftsführer, 19 stellvertretende Fraktionsvorsitzende oder 42 Sprecher von Arbeitsgruppen Sonderdiäten einstreichen, Bundestagspräsident Norbert Lammert anders als seine Vorgänger Wolfgang Thierse oder Rita Süssmuth „ein Problembewußtsein erkennen“.

Bei der Presse scheint zumindest in Zeiten vielfacher Milliarden-Bürgschaften der Elan zur Skandalisierung dieser daran gemessenen „Peanuts“-Beträge noch etwas unterkühlt zu sein. Und wie schnell sich selbst politische Neulinge, denen man am ehesten eine Fähigkeit zum Ausmisten zutrauen dürfte, mit Staatsknete korrumpieren lassen, habe zuletzt der Fall der Freien Wähler in Bayern bewiesen, die sich nach ihrem Parlamentseinzug 2008 in trauter Eintracht mit allen anderen Fraktionen von den Grünen bis zur CSU an den im Maximilianeum besonders dreist ausgeübten Bereicherungen beteiligten und sich 114.000 Euro „bewilligten“. Kritische Nachfragen von außen werden regelmäßig und in arroganter Form abgebügelt. „Es ist ein Fraktionsinterna“, blockte der Parlamentarische Geschäftsführer der Münchner SPD-Fraktion Fragen des SWR ab. Genauso wie der CSU-Fraktionsführer Georg Schmid, der die Reporter belehrte: „Das ist intern festgelegt, und intern soll es auch bleiben.“ So darf man nur raten, wer von den 29 (!) CSU-Fraktionsvorständen sich wieviel der allein 2009 erbeuteten 765.000 Euro „Zusatzdiät“ sicherte.

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