© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  13/11 25. März 2011

Kräftiger Gender-Wind
Gehaltsunterschiede zwischen Mann und Frau haben viele Ursachen – Ideologie hilft nicht weiter
Birgit Kelle

Gleicher Lohn für gleiche Arbeit – was unser Gerechtigkeitsempfinden sofort bejahen würde, ist auf dem Arbeitsmarkt noch lange nicht angekommen. Nach wie vor gibt es zwischen Männern und Frauen Unterschiede in der Höhe des durchschnittlichen Stundenlohns. Daß dieser sogenannte „Gender Pay Gap“ behoben werden soll, darüber herrscht Einigkeit. Schwieriger wird es dabei, die Gehaltsunterschiede tatsächlich zu beziffern und die Ursachen oder gar die möglichen Lösungen zu benennen.

29 Prozent, 23 Prozent, 13 Prozent, 8 Prozent Lohnunterschied – was denn nun? Verschiedene Zahlen stehen im Raum, wenn am 25. März  in Deutschland zum vierten Mal der „Equal Pay Day“ begangen wird, ein internationaler Aktionstag, der auf die Lohnunterschiede bei Männern und Frauen hinweisen soll und seinen Ursprung in den USA hat.

23 Prozent ist die unbereinigte Definition des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden. Errechnet aus dem durchschnittlichen Bruttostundenlohn in Deutschland, der bei Frauen 14,51 Euro zählt und damit 4,39 Euro weniger als bei Männern. Doch taugt die Prozentzahl 23 überhaupt, die Ungleichheit der Geschlechter auf dem Arbeitsmarkt zu beurteilen oder gar zu verurteilen? Sagt doch das Amt selbst: „Aussagen zum Unterschied in den Verdiensten von weiblichen und männlichen Beschäftigten mit gleichem Beruf, vergleichbarer Tätigkeit usw. sind damit nicht möglich.“

Trotzdem ist es die Zahl, mit der in Debatten um Frauenquoten und Frauen im Beruf Politik gemacht wird. Je höher die Prozentpunkte, um so dramatischer die Lage. Dabei hat das gleiche Amt öffentlich nahezu unbemerkt Ende 2010  den bereinigten Lohnunterschied auf acht Prozent geschätzt. Klingt schöner, schreit aber nicht so nach Handlungsbedarf.

Wir dürfen nicht Äpfel mit Birnen vergleichen, sondern die Löhne in ähnlichen Beschäftigungsverhältnissen, in gleichen Branchen und bei vergleichbarer Qualifikation. Die 29 Prozent stammen vom Institut der deutschen Wirtschaft in Köln. Bereinigt kommt man dort auf einen Anteil von 13 Prozent und bei Frauen, die kaum Unterbrechungen in der Berufslaufbahn haben, auf nur vier Prozent.

Im wesentlichen sind es drei Faktoren, die Ungleichheit der Bezahlung begünstigen und die ehrlicherweise im Hinblick auf ihre Gründe und Lösungswege getrennt betrachtet werden müssen. Frauen arbeiten nach wie vor bevorzugt in typischen Frauenberufen, die schlechter bezahlt werden als typische Männerberufe. Die Lösung kann nicht sein, daß wir versuchen, den Frauen ihre Neigungen auszureden und sie in Berufe drängen, die sie offenbar nicht wollen. Stattdessen sollten wir endlich darauf hinarbeiten, daß auch typische Frauenberufe wie etwa in der Pflegebranche endlich besser bezahlt werden.

Frauen fordern weniger als Männer. Studien im In- und Ausland belegen, daß sie ihre eigene Leistung oft geringer einschätzen, in Einstellungsgesprächen zu wenig oder gar nichts fordern und somit vom Start weniger verdienen. Interessant ist dazu die Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung in Berlin, die sich mit der wahrgenommenen Einkommensgerechtigkeit beschäftigt. Demnach verdienen Frauen zwar weniger, sind aber deutlich zufriedener mit dem, was sie haben.

Fragt man die Unzufriedenen nach ihren Forderungen, bleiben sie auch dort noch unter den realen Durchschnittseinkommen ihrer männlichen Kollegen. Was lernen wir daraus: Die acht Prozent, die uns fehlen, müssen wir schon selbst einfordern, meine Damen, man kann sie uns nicht hinterhertragen oder gar gesetzlich verordnen.

Frauen bekommen Kinder. Sie unterbrechen ihr Erwerbsleben oft jahrelang und kehren häufig nur in schlechter bezahlte Teilzeitjobs wieder zurück. Sie arbeiten täglich genauso lang wie ein Mann, ein Großteil dieser Arbeit wird aber nicht bezahlt. Warum tun wir das nicht einfach zumindest für ein paar Jahre? Erwartet irgend jemand, daß Erzieherinnen, Babysitter oder Tagesmütter ohne Lohn arbeiten? Von Müttern erwarten wir es. Es ist politisch wegen  des Fachkräftemangels und feministisch wegen der Selbstverwirklichung nicht gewollt, sie für Erziehungsleistung zu bezahlen. Punkt.

Deswegen hat sich die Frauen- und Familienpolitik darauf fokussiert, die Frau im Beruf einzugliedern und die Kinder aus der Familie auszugliedern. Sie ignoriert, daß zahlreiche Frauen gerne eine Auszeit für ihre Kinder in Anspruch und dafür Lohnausfälle, Karrierehemmnisse sowie geringe Rentenansprüche in Kauf nehmen. Faktisch betrachtet ist das Elterngeld der größte „Gender Pay Gap“ (durchschnittlicher Unterschied der Stundenlöhne zwischen Männern und Frauen) unseres Landes. Denn der Ingenieur, der in die Elternzeit geht, erhält zumeist den Höchstsatz von fast 1.800 Euro, die Verkäuferin nur den Mindestsatz von 300 Euro.

Pünktlich zum „Equal Pay Day“ 2011 am 25. März haben nun die „Business and Professional Women“ (BPW) als deutsche Initiatorinnen des Tages eine Unterschriftenaktion mit einem Forderungskatalog gestartet, der so wörtlich „tradierte Rollenstereotype“ – sprich die traditionelle Familie – endlich aufbrechen soll. Man fordert die Abschaffung der Einverdiener-Ehe, die Abschaffung der kostenlosen Mitversicherung von Nicht-Erwerbstätigen (Frauen), flächendeckend Kindertagesstätten und dort eine „geschlechtsrollen-sensible“ Erziehung. Danke schön, sage ich da als vierfache Mutter in Elternzeit. Keine Frage, auch in diesen Fluren weht ein kräftiger Gender-Wind.

 

Birgit Kelle ist Journalistin, Vorsitzende des Vereins Frau 2000plus und Mitglied der New Women for Europe .

Foto: Nationales Aktionsbündnis zum „Equal Pay Day“ 2011:  Die Initiatorinnen wollen „tradierte Rollenstereotype“ aufbrechen

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