© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  13/11 25. März 2011

Der Wille zur Form
Jugendkultur: Beiträge zum Rilke-Preis vorgestellt
Christian Dorn

Bekanntlich weiß nur derjenige, wohin er geht, der auch weiß, woher er kommt. Dies scheint zugleich einen Großteil der insgesamt 170 Teilnehmer des erstmals verliehenen Rainer-Maria-Rilke-Jugendkulturpreises zu kennzeichnen. Ausgerufen wurde dieser von dem gemeinnützigen Verein Journalismus und Jugendkultur Chemnitz e.V. Die besten Beiträge wurden nun in dem von Felix Menzel herausgegebenen Buch „Erste Worte nach dem Gedankenstrich“ veröffentlicht – und zeichnen sich oftmals durch einen Willen zur Form aus, wie beim 23jährigen Wettbewerbssieger Ben Niclas Berressem, der sich in getragenem Ton und gebundener Form am Versmaß klassischer Vorbilder orientiert. Für das pathetisch ausgreifende Gedicht „Imperium Romanum“ erhielt er den mit 300 Euro dotierten ersten Preis.

Die zweitplazierte 18jährige Eva Ulrike Henter-Besting schrieb eine Kurzgeschichte, die unter dem von Theodor Fontane entlehnten Zitat „Abschiedsworte müssen kurz sein wie eine Liebeserklärung“ steht. Ihr Text erscheint zunächst wie ein aktueller Kommentar zur Causa Ursula Sarrazin – und führt dann doch in eine andere Richtung, die mit einem weiteren Zitat, diesmal von Kafka, endet: „Wege entstehen dadurch, daß man sie geht.“

Konstitutiv ist dieses Verständnis für den Rilke-Jugendkulturpreis, der vom Umfeld des Online-Magazins Blaue Narzisse initiiert wurde. So verweist der Herausgeber und Mitinitiator Felix Menzel auf Rilkes Diktum in dessen „Notizen zur Melodie der Dinge“. Diesem zufolge sei „kein seligeres Wissen“ denkbar „als dieses Eine: daß man ein Beginner werden muß. Einer, der das erste Wort schreibt hinter einem jahrhundertelangen Gedankenstrich.“ Mit Blick auf das Diktum Adornos, daß nach Auschwitz Gedichte zu schreiben unmöglich geworden sei, soll hier auch formal widersprochen werden – gegen die, so Menzel, „als Toleranz getarnte Beliebigkeit der Gegenwart“ und „demokratische Krankheit der Kurzfristigkeit“.

Gemäß dem vielschichtigen künstlerischen Werk Rilkes waren neben literarischen auch Einreichungen der bildenden Künste erbeten worden. Besonders beeindruckte hier der 27jährige Künstler Dominik Schmitt, der für sein Gemälde der monströsen „Stadtkatze“ den dritten Preis erhielt.

Felix Menzel (Hg.): Erste Worte nach dem Gedankenstrich. Beiträge zum Rilke-Preis. Gerhard Hess Verlag, Bad Schussenried 2011, gebunden, 139 Seiten, 16,80 Euro

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