© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  13/11 25. März 2011

Mit Loyalität viel Anstoß erregt
Der Sozialdemokrat Hans Apel hat als Bundesminister sowie als Christ am oft stürmischen Kurs der Beständigkeit festgehalten
Friedhelm Farthmann

Hans Apel, der langjährige Bundesfinanz- und Bundesverteidigungsminister in der sozialliberalen Koalition hat seine „Lebenserinnerungen“ vorgelegt. Die flotte und leicht lesbare Darstellung besticht durch Ehrlichkeit und Offenheit, wenn sie auch für meinen konservativen Geschmack gelegentlich etwas zu flapsig gerät.

Ihre Lektüre ruft Erinnerung daran wach, wie aufgewühlt und innerlich zerrissen die Sozialdemokratie dem Ende der sozialliberalen Koalition im Herbst 1982 entgegentaumelte. Die Partei war nicht damit fertig geworden, daß innenpolitisch die Zeit ständiger sozialer Verbesserungen vorbei war und daß außenpolitisch die Sowjetunion im Abrüstungspoker der Weltmächte keinen Bonus verdiente. Die Rüstung der damaligen UdSSR war nicht, wie Herbert Wehner es 1979 wahrscheinlich gegen seine eigene Überzeugung ausgedrückt hatte, defensiv, sondern mindestens genauso machtorientiert wie die US-Politik. Trotzdem lehnte die SPD mit überwältigender Mehrheit den Nato-Doppelbeschluß ab. Sie zog damit ihrem Kanzler Helmut Schmidt den politischen Boden unter den Füßen weg und besiegelte das Ende der Koalition.

Leider verzichtet Hans Apel auf eine Analyse der Gründe, wie es zu diesen Verirrungen der Partei kommen konnte.  Sie erlebten einen gespenstischen Höhepunkt auf dem Münchner Parteitag im April 1982, der beherrscht wurde von der demagogischen Rhetorik Oskar Lafontaines. Wie sehr sich auch die Basis der Partei verrannt hatte, zeigen die Schilderungen des Verfassers über persönliche Anfeindungen selbst im privaten wie kirchlichen Bereich nur wegen seines tapferen Eintretens für den Nato-Doppelbeschluß. Schon nach wenigen Jahren bestätigte die historische Entwicklung die Richtigkeit dieser Politik. Man kann über Ronald Reagan, den damaligen Präsidenten der USA, denken, wie man will, aber es ist unbestreitbar sein Verdienst, daß er den Fehdehandschuh der Sowjetunion zur ständigen Aufrüstung aufnahm und sie dadurch letztlich zum wirtschaftlichen Offenbarungseid zwang. Als Folge davon brach der Sowjetkommunismus zusammen, was uns Deutschen die Wiedervereinigung unserer Nation und das Ende der Besatzung durch die Rote Armee brachte.

Leider sind auch Hans Apels Erinnerungen nicht frei von Bitterkeit. Es gibt wohl kaum einen prominenten Politiker, der ohne jegliche Verbitterung aufs Altenteil gerückt ist. Offenbar ist es psychologisch besonders schwierig zu erkennen, daß in der Demokratie politische Macht immer nur auf Zeit vergeben wird. Ich habe es in diesem Punkt immer mit Hiob aus dem Alten Testament gehalten: „Der Herr hat es gegeben, der Herr hat es genommen, gepriesen sei der Name des Herrn“ (Hiob I, 21).

Äußerst sympathisch wirkt Hans Apels uneingeschränktes Bekenntnis zum christlichen Glauben und zu seiner Ehe. Beides ist selten geworden. Apel zeigt damit, daß lebendiger Glaube nicht nur eine Angelegenheit für Kirchgänge und Feierlichkeiten ist, sondern auch den Alltag bestimmen muß. Trotzdem hat er die nordelbische evangelische Landeskirche verlassen, weil er den Unfug der kirchlichen Einsegnung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften und damit deren Gleichsetzung mit der Ehe nicht ertragen mochte. Seitdem ist er Mitglied einer kleinen lutherischen Freikirche.

Hans Apel ist trotz umfangreicher politischer Aktivitäten auf dem internationalen Parkett und zahlreicher Auslandsaufenthalte letztendlich seinem bescheidenen und sozialdemokratisch geprägten Reihenhausmilieu von Hamburg-Barmbek treu geblieben. Den Eintritt in die vornehme Gesellschaft von Blankenese hat er nie gesucht; sie ist ihm wohl auch fremd geblieben.

Nicht teilen kann ich Hans Apels Verehrung für Herbert Wehner, wobei er sich allerdings in großer Übereinstimmung mit weiten Teilen unserer Partei befindet. Es ist auch nicht zu bestreiten, daß Herbert Wehner für die Sozialdemokratie nach dem Zweiten Weltkrieg von zentraler Bedeutung war und Entscheidendes für Programmatik und Taktik der Partei geleistet hat. Für mich ist er trotzdem immer undurchschaubar und rätselhaft geblieben, was vielleicht mit seinem schweren und wechselhaften Schicksal zusammenhängen mag. 

Friedhelm Farthmann war von 1975 bis 1985 Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen und von 1985 bis 1995 Vorsitzender der SPD-Landtagsfraktion.

Hans Apel: Hans, mach du das! Lebenserinnerungen, Brunnen-Verlag, Gießen 2010, gebunden, 14,95 Euro

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