© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  14/11 01. April 2011

Aussetzung der Wehrpflicht
Abschied vom „Bürger in Uniform“
Norbert Geis

Seit dem Zusammenbruch des Ostblocks gab es keine vergleichbaren Revolutionen mehr wie derzeit in der arabischen Welt. Doch trotz der Diskussion um Afghanistan und einem möglichen Einsatz unserer Truppen in Libyen setzen wir die Wehrpflicht aus. Schwächen wir damit nicht die Schlagkraft der Bundeswehr?

Für Generationen von Männern war die Dienstzeit bei der Bundeswehr beziehungsweise der Ersatzdienst in einer sozialen Einrichtung ein Meilenstein in ihrem Leben. Sie erlebten hautnah, was es bedeutet, Dienst für das Vaterland zu tun.

Die Wehrpflicht und der Ersatzdienst hatten einen wesentlichen Anteil daran, daß sich die Jugend mit unserem Rechtsstaat identifiziert hat. Durch diesen Dienst für unser Land entstanden Bindekräfte zwischen Staat und Bürgern, die für unser gesellschaftliches Zusammenleben von elementarer Bedeutung sind.

Der „Staatsbürger in Uniform“ stand symbolisch für die Verankerung der Bundeswehr in unserer Gesellschaft – anders als die Reichswehr, die Staat im Staate war.

Die allgemeine Wehrpflicht sorgte dafür, daß alle Schichten unserer Gesellschaft Dienst taten und es einen ständigen personellen Austausch zwischen Zivilisten und Soldaten gab. Anstatt des „Staatsbürgers in Uniform“ wird zukünftig der Berufssoldat das Bild der Bundeswehr prägen. Durch die Aussetzung der Wehrpflicht wird aber weder die internationale Stabilität noch unsere eigene Sicherheit gefährdet. Wir werden heute nicht mehr von staatlichen Armeen, sondern durch zerfallende Staaten bedroht, die Terrorismus und organisierter Kriminalität Rückzugsraum bieten.

Diese lassen sich nur durch multidimensionale Sicherheitskonzepte und ein Höchstmaß an internationaler Kooperation bekämpfen. Dafür braucht man erfahrenes, gut ausgebildetes Personal und einen effizienten Einsatz der Mittel. Zudem kann schon lange nicht mehr von Wehrgerechtigkeit gesprochen werden.

Die Zukunft wird zeigen, ob die Identifikation der Deutschen mit ihrem Staat so groß ist, daß sie auch freiwillig Dienst tun. Ich bin vorsichtig optimistisch. Eine Hintertür gibt es, denn die Wehrpflicht bleibt im Grundgesetz erhalten und kann im Notfall wieder eingeführt werden.

 

Norbert Geis, CSU, ist Rechtsanwalt und seit 1987 Mitglied des Deutschen Bundestages.

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