© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  14/11 01. April 2011

Merkels grüne Zukunft
CDU: Nach dem Wahldesaster trimmt die Kanzlerin ihre Partei endgültig auf Schwarz-Grün
Paul Rosen

Die katastrophale Niederlage der Bürgerlichen im Südwesten hat – so eigenartig es klingen mag – Kanzlerin Angela Merkel zunächst einmal stabilisiert. Niemand aus der ersten Funktionärsreihe der Christdemokraten stand nach den Landtagswahlen auf und verlangte öffentlich den Rücktritt der CDU-Chefin oder drastische Konsequenzen. Überhaupt herrschte sehr viel Verständnis für den erneuten Regierungsverlust in einem Bundesland. Sicher sei es schmerzlich, daß man Baden-Württemberg verloren habe, sagte der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier: „Aber Angela Merkel führt die Partei, und sie wird es auch in Zukunft tun“, so der Hesse, dessen Äußerung nur eine von vielen von CDU-Spitzenpolitikern ist.

Die Wahlanalyse bei den Christdemokraten war schnell vorbei. Sie bestand allein aus dem Wort Fukushima, was bedeuten soll, daß man ohne den japanischen Reaktorunfall die Wahl in Baden-Württemberg gewonnen hätte. Dabei war der 27. März 2011 mehr als nur eine der vielen Niederlagen von Parteien bei Landtagswahlen. Der Verlust der Macht in Stuttgart bedeutet für die Christdemokraten eine Entwurzelung aus dem liberal-konservativen Südwesten, den Verlust von Heimat und Identität. Die Zeit der alten Volksparteien ist offensichtlich abgelaufen. Weder konnte sich die SPD in Rheinland-Pfalz stabil halten, noch die CDU in Baden-Württemberg so stark bleiben, daß gegen sie nicht regiert werden kann.

Merkel macht das wenig bis nichts aus. Es gibt niemanden, der der Kanzlerin und CDU-Vorsitzenden ihre Fehler vorhalten würde, durch die sie viele bürgerliche und konservative Wähler vergrault hat: Die Wehrpflicht wurde gekippt. Die Euro-Stabilisierung darf 22 Milliarden Euro verschlingen, die Merkel nur zu gerne in Brüssel abliefert. Bei der Atompolitik vollzog die Kanzlerin eine 180-Grad-Wende. Und was Libyen betraf, so schaffte sie es, die Vereinigten Staaten und Frankreich gleichzeitig gegen sich aufzubringen, was seit Gründung der Bundesrepublik noch keinem Kanzler vor ihr gelungen war.

Wer nach dem Sinn dieser Wendemanöver fragt, wird schnell Antworten finden, wenn das Augenmerk auf Bündnisoptionen fällt. Eine CDU, die in Nibelungentreue fest zu Amerikanern und Nato steht, die junge Männer zur Armee einziehen lassen, die Brüssel das Sparen beibringen und die Atomkraftwerke möglichst lange laufen lassen will, kommt für vieles in Frage, aber gewiß nicht als Koalitionspartner der Grünen. Wer dagegen betont pazifistisch daherkommt, die Brüsseler Kommissarbefehle ohne Nachdenken und Murren ausführt und Atomkraftwerke abschaltet, kann damit rechnen, daß Claudia Roth, Jürgen Trittin und Cem Özdemir Milde walten lassen und zu Koalitionsgesprächen mit der CDU bereit sind, vor deren Parteizentrale sie früher Sitzblockaden organisiert hätten.

Merkel ging schon vor den Schicksalswahlen in Baden-Württemberg auf diesen Kurs. Sie weiß ganz genau, daß mit einer FDP, die selbst in ihrem Stammland nicht mehr als 5,3 Prozent holt, kein Staat mehr zu machen ist. Eine linksorientierte CDU wird zwar nie mehr als 30 oder 35 Prozent erhalten. Zusammen mit starken Grünen, wie sie sich jetzt in den Ergebnissen von Baden-Württemberg und den hessischen Kommunalwahlen abzeichnen, kommen jedoch Mehrheiten zusammen. Tragfähige Bündnisse lassen sich schließen, nachdem sich die CDU in der Innen-, Rechts- und Familienpolitik längst dem linksgrünen Zeitgeist angepaßt hat. Wie daraus zu sehen ist, war der Schwenk in der Atompolitik keine Wahlkampftaktik, wie der liberale Narrenvogt Rainer Brüderle glaubt. Der Ausstieg war das bisher letzte Glied einer langen Kette von Anbiederungsmanövern an die Grünen.

Der personelle Umbau der CDU kommt hinzu. Merkel hat jeden potentiellen Gegner niedergestreckt oder wie Christian Wulff zum Bundespräsidenten wegbefördert. Der „Andenpakt“, jene Clique biederer machtorientierter Männer von Roland Koch bis Wulff, ist Geschichte. Die „Pizza-Connection“, in der Merkels willige Vollstrecker wie Hermann Gröhe und Roland Pofalla schon als Jungpolitiker mit den Grünen zu plaudern pflegten, bildet das Wurzelgeflecht Merkelscher Macht. Wenn sie das konservative Element der CDU beschwört wie auf dem vergangenen Bundesparteitag, hört sich das inzwischen an wie Totengedenken.

Diese linksgedrehte CDU (an der die CSU untrennbar hängt wie ein siamesischer Zwilling) kann Merkel 2013 in eine Koalition mit den Grünen führen. Oder sie geht wieder mit der einstigen Volkspartei SPD zusammen, deren 20 bis 25 Prozent auch für ein Regierungsbündnis reichen. Inhaltlich trennt sie alle jetzt, da selbst die CSU aus der Kernkraft so schnell wie möglich raus will, fast nichts mehr.

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