© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  14/11 01. April 2011

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Den Grünen geht das Bier aus
Ronald Gläser

Niedergeschlagenheit macht die Runde bei den Berliner Wahlpartys von CDU und FDP am Abend der Wahl in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. Den wenigen Anhängern der Union, die sich ins Konrad-Adenauer-Haus verirrt haben, steht der Schreck ins Gesicht geschrieben: Nach 58 Jahren verabschiedet sich die CDU von der Macht in Baden-Württemberg. Auch im früheren Stammland Rheinland-Pfalz wieder kein Fuß in der Tür.

Die zur Schau gestellte Freude vieler Parteikader über die Zuwächse in Rheinland-Pfalz mochten die Mitglieder der Parteibasis nicht teilen. „Das ist gar nichts“, flüstert eine ältere Dame vor dem Bildschirm, als dort CDU-Spitzenkandidatin Julia Klöckner ihren Zwei-Prozent-Zuwachs wie einen Sieg feiert. Ein langjähriges Parteimitglied kommentiert das Abschneiden der Union als katastrophal. „Hoffentlich wachet dui Leit’ jetzt uf, wenn se merket, wen se da g’wählt habet.“

Ein Christdemokrat im lila Hemd schiebt den Schwarzen Peter der FDP zu. „Verdient hätten sie’s rauszufliegen“, sagt er. „Der Westerwelle“ habe alles falsch gemacht, meint er. Und auch Mappus. „Mit dem Oettinger wäre es nicht so schlecht gelaufen“, fügt er hinzu. Nur eine Handvoll von Aktivisten der Jungen Union läßt sich von der schlechten Stimmung nicht anstecken. Bei Rheinischem Nudelsalat, Pfälzer Kartoffelsuppe, Mainzer Handkäs und jeder Menge Alkohol kippen sie den Ärger über die Niederlage hinunter.

Das war bei der FDP in Mitte zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr möglich. Im Thomas-Dehler-Haus sind kurz nach 21 Uhr die Lichter ausgegangen, die Bar ist bereits geschlossen. Drei niedergeschlagene Junge Liberale sitzen auf einer Bank am Eingang und tauschen ihre nun eingeschränkten Zukunftsperspektiven aus: „Der nächste freie Posten in der Fraktion ist meiner“, sagt einer mit gewichtiger Miene zu seinen Kompagnons. Es hört sich so an, als würde er sich selbst Mut zusprechen. Sein Parteifreund lästert über die Grünen nebenan: „Bei denen ist schon um halb acht das Bier ausgegangen.“ Die letzte Freude, die den Julis geblieben ist: Bei der Konkurrenz gibt es auch nichts mehr zu trinken.

Bei den Grünen hat die Stimmung gegen 22 Uhr ihren Höhepunkt erreicht. Claudia Roth hüpft wie ein neongrüner Flummi vor ihren Parteifreunden umher: Sie kommentiert die Ergebnisse der einzelnen Wahlkreise aus Baden-Württemberg, die sie im Videotext verfolgt. „Emmendingen, Emmendingen“, triumphierte sie, „das ist eine ganz schwarze Ecke.“ Am Ende reichte es dort nicht ganz für den Kandidaten der Grünen. In neun anderenWahlkreisen schon.

Groß ist auch der Jubel über den Wahlkreis Stuttgart I, wo die Grünen ihr bestes Ergebnis überhaupt einfahren konnten. Muhterem Aras erhielt 42,5 Prozent. „Muhterem“, freut sich Roth, „ist die erste Abgeordnete mit Migrationsgeschichte, die es direkt in einen deutschen Landtag geschafft hat.“ Sie wird auch die erste Muslima im Landtag sein. Die rund fünfzig Gäste auf der Siegerparty der Grünen jubelten begeistert.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen